Im Vorfeld sorgen Personalia für Aufregung: Philippa Strache nimmt ihr Mandat an. Sigrid Maurer wird grüne Vizeklubchefin. Und Pamela Rendi-Wagner bekommt es mit Max Lercher zu tun.
Sollte es noch letzte Bande zwischen der FPÖ und der Familie Strache gegeben haben, sind sie seit Dienstag endgültig durchtrennt. Einen Tag vor der konstituierenden Sitzung des Nationalrats (Beginn ist heute, Mittwoch, um 12.30 Uhr) gab Philippa Strache bekannt, dass sie ihr Mandat, das sie über die Landesliste in Wien erworben hatte, annehmen werde. Und zwar als wilde Abgeordnete, also ohne Klubzugehörigkeit.
Spitzenfunktionäre der FPÖ hätten sie „trotz aufrechter Mitgliedschaft in der freiheitlichen Familie und meiner unwiderlegbaren Unbescholtenheit“ zuletzt ausgeschlossen, beklagte sich Strache am Dienstag. Die „Diffamierungskampagne“ gegen ihre Person sei kränkend gewesen und „mit Niedertracht inszeniert“ worden.
FPÖ
Die FPÖ nahm die Entscheidung zur Kenntnis: Man habe damit gerechnet. Offen war zunächst, ob Philippa Strache nun suspendiert oder gar aus der Partei ausgeschlossen wird. Auch ihr Ehemann, Ex-Parteiobmann Heinz-Christian Strache, wurde vor drei Wochen von seinem Nachfolger, Norbert Hofer, suspendiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass Heinz-Christian Strache bei der Wien-Wahl nächstes Jahr mit einer eigenen Liste antritt, ist in den vergangenen Tagen und Wochen eher gestiegen als gesunken.
Auch in den Klubsitzungen anderer Parteien fielen am Dienstag wichtige Personalentscheidungen. Manche waren nicht gerade schmeichelhaft für die Parteispitze (SPÖ). Andere haben das Potenzial, zu polarisieren (Grüne). Doch der Reihe nach.
Durch Philippa Straches Entscheidung verliert der FPÖ-Klub nicht nur ein Mandat, sondern auch 52.000 Euro Klubförderung pro Jahr und einen Sitz in der prestigeträchtigen ersten Reihe (zugunsten der ÖVP). Beides ist an die Abgeordnetenzahl gekoppelt. Klubobmann wird Herbert Kickl. Norbert Hofer kehrt ins Nationalratspräsidium zurück, als Nummer drei hinter Wolfgang Sobotka (ÖVP) und Doris Bures (SPÖ).
SPÖ
Einen Denkzettel, wie in der Löwelstraße befürchtet, bekam Parteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner in der rund vierstündigen Sitzung des SPÖ-Klubs zwar nicht verpasst. Aber ein Vertrauensbeweis sieht auch anders aus: 88,2 Prozent der Mandatare stimmten für sie als Klubobfrau. Doris Bures, die für das Nationalratspräsidium nominiert wurde, schnitt mit 97 Prozent deutlich besser ab.
Rendi-Wagner bekam wohl auch die Nachwirkungen der Affäre um Parteirebell Max Lercher zu spüren. Am Wochenende hatten Medien berichtet, dass Lercher als Leykam-Vorstand monatlich 20.000 Euro von der SPÖ kassiere. Was aber nicht stimmt: Lercher hat bloß einen Vertrag unterschrieben, der dem Unternehmen zugute kommt. Nicht wenige seiner Anhänger vermuten die Parteispitze um Rendi-Wagner und Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch hinter der Intrige – was beide bestreiten. Weitere Konflikte scheinen programmiert, da Lercher heute als Abgeordneter angelobt wird. Rendi-Wagner will in den nächsten Tagen Gespräche mit ihm führen. Ihr Stellvertreter im Klub wird Ex-Minister Jörg Leichtfried.
Grüne
Den grünen Klub führt Werner Kogler – vorerst zumindest. Sigrid Maurer, die in der ÖVP nicht gerade hohes Ansehen genießt, wurde zur Vizeklubchefin und geschäftsführenden Parlamentarierin gewählt. Ob das bedeutet, dass Maurer zur alleinigen Klubobfrau aufsteigt, wenn Kogler Vizekanzler einer türkis-grünen Regierung wird, blieb vorerst offen: Das entscheide dann der Klub, hieß es.
Maurer jedenfalls ist neben Kogler und Alma Zadić, die von der Liste Jetzt gekommen ist, eine von nur drei Personen im grünen Klub, die bereits ein Nationalratsmandat hatte. Der Rest sind Debütanten. Weitere Stellvertreterinnen Koglers sind Leonore Gewessler und Ewa Ernst-Dziedzic. Der Klubleitung gehören außerdem Astrid Rössler, Olga Voglauer und Jakob Schwarz an. Ex-Rektorin Eva Blimlinger wird als Gegenkandidatin zu Norbert Hofer aufgestellt.
ÖVP
Der Nationalratsklub der ÖVP hat 71 Mitglieder, wobei sich die Namen noch ändern werden. Einige Abgeordnete dürften schon bald auf die Regierungsbank wechseln – Sebastian Kurz zum Beispiel. Oder auch Elisabeth Köstinger und Gernot Blümel. Bis zur Angelobung der neuen Regierung übernimmt Kurz den Klubvorsitz. August Wöginger muss sich vorerst mit dem Titel Vizeklubchef begnügen. In der Grundaufstellung bleibt das Team aber gleich. Angesichts des Wahlergebnisses gebe es keinen Grund, hier etwas zu verändern, sagte Kurz.
Neos
Die Neos gehen mit 50 Prozent mehr Abgeordneten in die nächste Gesetzgebungsperiode. Sieben der 15 Mandatare sind neu, darunter auch der Jüngste im gesamten Plenum, der 24-jährige Yannick Shetty (ÖVP-Mandatarin Claudia Plakolm ist ebenfalls 24, aber einige Monate älter).
Die konstituierende Sitzung des Neos-Klubs findet erst heute, Mittwoch statt, unmittelbar vor der Nationalratssitzung. Doch an der Spitze ändert sich nichts: Beate Meinl-Reisinger bleibt Klubchefin, Nikolaus Scherak und Gerald Loacker vertreten sie.
AUF EINEN BLICK
Der neue Nationalrat konstituiert sich am Mittwoch, die Sitzung beginnt um 12.30 Uhr. Der Start in die neue Gesetzgebungsperiode wird von (personellen) Konflikten überschattet: Philippa Strache nimmt ihr Mandat an und verärgert damit die FPÖ. In der SPÖ geht der Streit um Max Lercher weiter – der nun Abgeordneter wird.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.10.2019)