Schulden: Rot, Blau, Grün standen schon auf der Kippe

Nicht nur die ÖVP tut sich schwer, die hohen Wahlkampfkosten zu finanzieren, praktisch alle Parteien waren schon einmal ein Sanierungsfall. Transparente Informationen zur Finanzkraft der Parteien fehlen aber.

Wien. Rund 30 Millionen Euro beträgt die Förderung für die Parteien pro Jahr – und zwar nur für die Bundesparteien. Dazu kommen noch: Klubförderung, Förderung der Parteiakademien und Förderungen auf Landes- und Gemeindeebene. Macht in Summe rund 200 Millionen Euro aus öffentlichen Mitteln, die Jahr für Jahr an die österreichischen Parteien gehen. Dazu kommen noch Mitgliedsbeiträge, Spenden, Sponsorings und Einnahmen aus Firmenbeteiligungen.

Und trotzdem: Immer wieder gerät eine Partei in finanzielle Schieflage und muss saniert werden. Der hohe Schuldenstand der ÖVP, der jetzt bekannt wurde, ist kein Einzelfall. Alle Parteien – mit Ausnahme der noch relativ jungen Neos und Liste Jetzt – standen schon einmal auf der Kippe. Und die Ursache der finanziellen Kalamitäten war ständig gleich: Für Wahlkämpfe wurde deutlich mehr ausgegeben, als es den finanziellen Ressourcen der Partei entsprach.

Bestes Beispiel für eine Parteiensanierung war die SPÖ im Jahr 2000. Parteichef Viktor Klima hatte im Wahlkampf 1999 versucht, mit einer Materialschlacht den Bundeskanzler zu retten. Das misslang, Nachfolger Alfred Gusenbauer musste nicht nur die SPÖ auf die ungewohnte Oppositionsrolle vorbereiten, sondern auch einen Schuldenberg von 25 Millionen Euro übernehmen. Gusenbauer verscherbelte einen guten Teil des Familiensilbers, straffte die Parteistrukturen und rief die Mitglieder zu Spenden auf. Die Sanierung gelang ebenso wie später die Rückeroberung des Bundeskanzlersessels.

Zwei Jahre später waren die Freiheitlichen in einer finanziellen Schieflage: Auf die Spaltung in Knittelfeld folgten ein desaströses Wahlergebnis und ein Einbruch bei der Parteienförderung. Wobei sich die Freiheitlichen mit der Sanierung leichter tun als SPÖ und ÖVP. Denn im Gegensatz zu den einstigen „Großparteien“ haben sie keinen aufwendigen Parteiapparat zu finanzieren. Ein Sonderfall waren die Kärntner Freiheitlichen, die mit Jörg Haider an der Spitze das Land regierten: Diese lebten derart über ihre Verhältnisse, dass sie die öffentliche Parteienförderung auf Jahre hinaus an ihre Hausbank verpfändeten. Und bei der Bank, die dieses Vabanque-Spiel mit unsicheren, weil von künftigen Wahlergebnissen abhängigen Pfandrechten mitmachte, handelte es sich nicht zufällig um die Hypo Alpe Adria.

Grüne am Rande des Konkurses

Tatsächlich am Rande des Konkurses befanden sich vor zwei Jahren die Grünen. Sie mussten 2016 ihren bislang größten politischen Erfolg teuer bezahlen: Für den ein Jahr dauernden Wahlkampf zur Bundespräsidentenwahl mit einer Stichwahl, einer Stichwahlwiederholung und einer Wahlverschiebung gaben die Grünen rund vier Millionen Euro aus, eine Rückerstattung von Wahlkampfkosten gibt es bei der Bundespräsidentenwahl nicht. Die vorgezogene Nationalratswahl 2017 kostete die Grünen weitere fünf Millionen Euro und endete mit einem Desaster: Die Grünen verpassten den Einzug in den Nationalrat und standen mit einem Schuldenberg von vier Millionen Euro und ohne Parteienförderung da. Nach längeren Verhandlungen mit den Banken gelang es, unter tatkräftiger Mithilfe der Landesorganisationen, den Konkurs noch abzuwenden.

Und heute? Wie genau die Finanzlage der Parteien aussieht, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Denn während Unternehmen jährlich ihren Schuldenstand in der Bilanz bekannt geben müssen, fehlen bei den Parteien diese Transparenzpflichten. In den Rechenschaftsberichten steht lediglich, welche Kredite die Partei im jeweiligen Jahr aufgenommen und wie viel man für Zinsen und Tilgung ausgegeben hat (siehe Grafik).

Auch die Parteien selbst halten sich mit diesbezüglichen Aussagen zurück – zumindest die größeren. Die Neos haben bei ihrer Mitgliederversammlung im Juli ihre Finanzplanung offengelegt. Demnach erwarten sie zum Jahresende eine Gesamtverschuldung von rund 2,2 Mio. Euro, davon 525.000 Euro Bankkredit, der Rest kommt von den Landesparteien und von Privatdarlehen. Die Grünen haben laut Finanzreferent Wolfgang Raback 953.000 Euro Bankschulden. Und die Liste Jetzt ist laut Bundesgeschäftsführerin Herta Emmer schuldenfrei.

Der Schuldenstand der SPÖ wird auf zwölf bis 14 Millionen Euro geschätzt, wobei die Sozialdemokraten im Vorjahr einen weiteren Sanierungsschritt gesetzt haben: Mit dem Gartenhotel Altmannsdorf wurde das letzte verbliebene Asset der Bundespartei verkauft (die Wiener Landespartei hat noch ein großes Firmenimperium). Laut Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda hätte die Partei ohne vorgezogene Neuwahl ihren Schuldenstand heuer in den einstelligen Millionenbereich gedrückt. Jetzt plant die SPÖ, bis 2025 schuldenfrei zu sein.

Keine Angaben gibt es von der FPÖ, die aber in den vergangenen Jahren auch deutlich mehr an Krediten aufgenommen als zurückgezahlt hat.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2019)

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