Analyse

Wahlschatten über dem Rathaus

Das Wiener Rathaus wird am Donnerstag zur Wahlkampfbühne mit wechselnden Darstellern.
Das Wiener Rathaus wird am Donnerstag zur Wahlkampfbühne mit wechselnden Darstellern. (c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Türkis-Blau nützt den heutigen Gemeinderat, um sich wahlkampftauglich auf die Causa Chorherr einzuschießen. Für Rot-Grün ist die Causa Strache das blaue Wahlkampfgeschenk.

Wien. Die Sitzungen des Wiener Gemeinderats laufen im Normalfall beschaulich ab. Die Kritik am politischen Gegner wird routiniert, mit mehr oder weniger schauspielerischem Talent vorgetragen – ohne dass dies große Emotionen auslöst. Am Donnerstag ist das anders. Denn zwei Affären haben in den vergangenen Tagen das politische Klima aufgeheizt – bei den betroffenen Parteien liegen die Nerven blank. Es geht um die Causa Chorherr und die Causa Strache.

Alle Parteien wollen diese Affären nutzen, um im Finale des Nationalratswahlkampfs noch die letzten Stimmen zu mobilisieren – in Form einer öffentlichen politischen Abrechnung. Eröffnet wird der Schlagabtausch von der ÖVP Wien. Klubobfrau Elisabeth Olischar fordert von Bürgermeister Michael Ludwig öffentlich eine Antwort, seit wann dieser über Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen die Magistratsabteilung 21 (Flächenwidmung) Bescheid gewusst hat. Diese Ermittlungen stehen in Zusammenhang mit den staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen gegen den langjährigen grünen Planungssprecher Christoph Chorherr – nachdem an seinen karitativen Verein s2arch hohe Spenden von Immobilienunternehmen gingen, die von Widmungen profitierten, für die sich Chorherr engagiert hatte. Auch will Olischar von Ludwig wissen, welche Maßnahmen er inzwischen getroffen hat, um diese Causa aufzuklären.

Die Freiheitlichen werden sich auf der politischen Bühne des Gemeinderats ebenso auf die Causa Chorherr konzentrieren. Einerseits, weil die Affäre die Grünen, die im Wahlkampf „Wen würde der Anstand wählen?“ und „Saubere Politik“ plakatieren, voll getroffen hat. Andererseits, weil das Forcieren der Chorherr-Affäre sich aus freiheitlicher Sicht gut eignet, um von einem eigenen, unangenehmen Problemen abzulenken: der Affäre Strache. Denn derzeit vergeht kein Tag, an dem nicht neue, für die Freiheitlichen negative Details zu Spesenabrechnungen und dubiosen Vorgängen rund um den Ex-Parteichef der Wiener und Bundes-FPÖ bekannt werden. Das Bestreben Straches, wieder zurück in die Politik und an die Spitze der Wiener FPÖ zu kommen, sorgt ebenfalls für blaue Turbulenzen.

Auf der Bühne des Gemeinderats wird Rot-Grün dieses blaue Wahlkampfgeschenk dankbar annehmen; und nebenbei (wieder) Spenden und Vereinskonstruktionen der Bundes-ÖVP thematisieren.

Damit werden sich Türkis-Blau und Rot-Grün einen Schlagabtausch im Kampf um die letzten Wählerstimmen liefern, während die Neos in der komfortablen Position sind, alle vier Parteien zu kritisieren. Neos-Wien-Chef Christoph Wiederkehr bringt deshalb am heutigen Donnerstag einen Antrag auf Prüfung der Parteienfinanzierung ein: „Parteien erhalten Steuergeld. Deshalb müssen diese Finanzen objektiv durch den Stadtrechnungshof geprüft werden“, so Wiederkehr, der sich freuen dürfte, dass mit den Causen Strache und Chorherr ein Neos-Kernthema („Kampf gegen politischen Filz“) das Finale des Wahlkampfs (mit)dominiert.

Aber auch Bürgerinitiativen mischen mit. Von Rot-Grün fordern 19 unabhängige Initiativen den sofortigen Baustopp von Projekten, die mit Chorherrs Beteiligung durchgeboxt wurden – gegen den Widerstand der Bürgerinitiativen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2019)

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