Analyse

Was vom Wahlkampf bleibt (oder auch nicht)

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Von „Menschlichkeit“ bis „Macht sonst keiner“: Die Erzählungen der Parteien dürften ihren Zweck nur zum Teil erfüllt haben. Die meisten Drehbücher müssen am Sonntagabend umgeschrieben werden – insbesondere jenes der ÖVP.

Wien. Was bleibt vom Wahlkampf, von den Erzählungen der Parteien? Ein letztes Mal schlüpfte Sebastian Kurz am Freitag in die allseits beliebte Opferrolle und warnte einmal mehr vor einer „linken Mehrheit“ gegen ihn, also vor einer Koalition aus SPÖ, Grünen und Neos. Sonderlich realistisch ist dieses Szenario freilich nicht, aber es mobilisiert träge Wähler, die glauben, dass die ÖVP eh schon haushoch gewonnen hat, und passt in die Wahlkampfgeschichte, die man seit Wochen erzählt.

Nach der Telenovela „Sebastian Kurz erobert das Kanzleramt“ im Jahr 2017 hat die ÖVP nun Teil zwei abgedreht: die große Comeback-Story, nachdem der König und seine Regierung ins Exil verbannt worden waren. Wobei sich das „Alle gegen Kurz“-Lamento nach der Wahl wenn schon nicht ins Gegenteil („Alle für Kurz“) verkehren, so doch zugunsten der ÖVP verändern wird: Dann werden alle Parteien plötzlich mit Kurz wollen, nämlich regieren. Vorausgesetzt, die ÖVP lässt sie in einer Koalition inhaltlich und personell leben. Aber falls schon, wird man natürlich gern den Vizekanzler unter Kurz machen.

Das gilt auch für die SPÖ, die Pamela Rendi-Wagner in den vergangenen Wochen als soziale Alternative zu Sebastian Kurz zu positionieren versucht hat, was im Umkehrschluss natürlich bedeuten sollte, dass der ehemalige Kanzler sich selbst am nächsten ist. Die Grünen haben im Übrigen Ähnliches versucht, indem sie der ÖVP – mit Blick auf genau diese Wählergruppe – das Christlich-Soziale abgesprochen haben.

Unter dem Begriff „Menschlichkeit“ subsummierte die SPÖ einzelne Angebote in alle Richtungen: Das recht üppige Kapitel Klimaschutz im Wahlprogramm der Roten war an jene Grünen-Sympathisanten adressiert, die 2017 der SPÖ ihre Stimme geliehen hatten, um Kurz als Kanzler zu verhindern. Der 1700-Euro-Mindestlohn wiederum sollte FPÖ-Wähler zur Rückkehr in die alte sozialdemokratische Heimat bewegen. In der vorletzten Nationalratssitzung dieser Legislaturperiode wurde dann mit der Wiedereinführung der Hacklerregelung ein alter Trick angewandt, der vor der Wahl 2008 funktioniert hatte, die Republik aber teuer zu stehen kam. Die Geschichte wiederholt sich, zumindest der zweite Teil davon.

„Ohne uns kippt Kurz nach links“, plakatierten die Freiheitlichen und werden wohl eines ihrer Wahlziele erreichen: dass sich Türkis-Grün nicht ausgeht. Allerdings hatte die FPÖ in diesem Wahlkampf verstärkt mit sich selbst zu tun. Zunächst wollte Altparteichef Heinz-Christian Strache trotz Ibiza nicht stillhalten, dann wurden neue Vorwürfe gegen ihn laut. In der Spendenaffäre wird nun sogar wegen Untreue gegen ihn ermittelt.

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