Nationalrat

Das einsame Leben der wilden Abgeordneten

Für wilde Abgeordnete bleibt die letzte Reihe: Monika Lindner verließ 2013 das Parlament auch bald wieder.
Für wilde Abgeordnete bleibt die letzte Reihe: Monika Lindner verließ 2013 das Parlament auch bald wieder. (c) Michael Gruber/EXPA/picturedesk.com
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Philippa Strache wäre nicht die Erste, die bereits beim Einzug in das Parlament fraktionslos ist. Wilde Abgeordnete haben einige Nachteile, sie dürfen aber mehr reden als andere. Doch können sie inhaltlich etwas bewegen?

Wien. „Manchmal“, so erzählt Martha Bißmann, „ist man auch ein bisschen einsam.“ Aber in ihrer letzten Parlamentsrede im September bot die wilde Abgeordnete ihren Kollegen Abschiedsumarmungen an. „Und ich habe viele Umarmungen bekommen“, sagt die Mandatarin. Aber wie ist das Leben von wilden Abgeordneten abseits aller atmosphärischen Fragen? Können sie etwas bewegen, oder bekommen sie einfach nur viel Geld dafür, die Zeit abzusitzen?

Fragen, die sich auch Philippa Strache stellen mag. Die Frau des früheren FPÖ-Chefs hat sich entschieden, ihr Mandat anzunehmen. Denn die Partei will sie nicht in ihrem Parlamentsklub aufnehmen. Aber Strache wäre auch nicht die Erste, die bereits „wild“ in den Nationalrat einzieht.

So kam Ex-ORF-Generaldirektorin Monika Lindner 2013 über ein Ticket des Team Stronach in das Parlament. Im Wahlkampf hatte sie noch erklärt, das Mandat gar nicht annehmen zu wollen. Vorangegangen war eine Aussage des damaligen Stronach-Klubchefs Robert Lugar, laut der man Lindner als Speerspitze gegen „das System ORF, Raiffeisen und Pröll“ einsetzen wolle. Schließlich nahm Lindner das Mandat doch an und wurde wilde Abgeordnete. Nach Vorwürfen wegen Freunderlwirtschaft in einem anderen Bereich legte Lindner nach nur einem Monat ihr Mandat wieder zurück. Als Grund nannte sie eine „gezielte, gegen mich geführte Kampagne“.

Aber ist das Leben als wilder Abgeordneter wirklich so schlimm? Immerhin erhält man wie jeder andere Mandatar einen Bezug von 8931 Euro – und das 14 Mal pro Jahr. Und man bekommt ein Büro und Geld für einen parlamentarischen Mitarbeiter. Das war aber nicht immer so. So stellte der 1987 aus dem grünen Klub verstoßene Mandatar Josef Buchner – übrigens nicht zu verwechseln mit dem späteren BZÖ-Klubchef Josef Bucher – seinen Schreibtisch in der Säulenhalle des Parlaments auf. Aus Protest dagegen, dass wilde Abgeordnete noch kein Büro erhielten.

Damals wie heute können wilde Abgeordnete aber wie ihre in den Fraktionen tätigen Kollegen Gesetze initiieren. Nur benötigt es für alle Anträge im Nationalrat mindestens fünf Abgeordnete. Und die vier anderen muss man als wilder Mandatar erst einmal finden.

Nur Zuseher in Ausschüssen

Allein hat man im Nationalrat nur ein Recht: Man kann in zweiter Lesung eines Gesetzes verlangen, dass es getrennte Abstimmungen gibt. Also etwa eine über die Änderung des Paragrafen eins und eine andere über die Änderung des Paragrafen zwei des Gesetzes.

Am härtesten trifft wilde Abgeordnete, dass sie bei den parlamentarischen Ausschüssen zuschauen müssen. Ein Rederecht erhalten sie dort nur, wenn es sich um ihren eigenen Antrag handelt. Die Ausschussmitglieder selbst werden nämlich von den Parlamentsklubs nominiert, da ist kein Platz für Wilde. Gerade in den Ausschüssen passiert aber die entscheidende parlamentarische Arbeit. Die Abstimmung im Plenum ist meist nur noch Formsache.

Hat es umgekehrt auch Vorteile, wilder Abgeordneter zu sein? Ja, meint Bißmann, die aus dem Klub der Liste Jetzt 2018 ausgeschlossen worden war. Sie hatte ihr durch den temporären Rückzug von Peter Pilz gewonnenes Mandat nicht mehr an den Parteigründer zurückgeben wollen. „Man ist sehr unbefangen und kann sich seine Bündnispartner herausfischen“, sagt sie zur „Presse“. Klubzwang gebe es für sie schließlich keinen.

Und man finde auch leichter den Weg zu Ministern, um ihnen die eigenen Ideen zu präsentieren, meint sie. Ein anderer Abgeordneter müsse erst mit seinem Klubchef reden, der dann aber wiederum gleich selbst mit der Regierung rede. Sie aber sei überrascht gewesen, wie leicht man als wilde Abgeordnete Termine bei Ministern bekomme, erklärt Bißmann.

Zeit zum Reden bekommen wilde Abgeordnete auch bei Nationalratsdebatten, und das in hohem Ausmaß. Während die Parlamentsklubs ihre Redezeit unter all ihren Mandataren aufteilen müssen, erhält ein wilder Abgeordnete ein eigenes Zeitkontingent. Dieses beträgt die Hälfte von der Redezeit, die der kleinste Parlamentsklub insgesamt erhält. Gerade, wenn es viele wilde Abgeordnete gibt, können sich Debatten somit lang ziehen.

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