Die Recruiter haben ausgedient

(c) Voithofer Valerie
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Personaler sollten mehr wie Händler denken und den individuellen Mitarbeiter im Fokus haben, sagt Tom Haak vom HR Trend Institute. Technologien könnten ihnen dabei helfen.

Es gibt dann doch das eine oder andere Vorurteil gegenüber den Mitarbeitern der Personalabteilungen. Eines lautet: Mit der Technik haben sie es nicht so. Digitalisierung: Naja. Künstliche Intelligenz: Keinesfalls.

„Die technologischen Entwicklungen gehen schneller vor sich, als Menschen dranbleiben können“, sagt Tom Haak, Direktor des HR Trend Institute in Amsterdam. „Doch besonders HR ist in dieser Hinsicht sehr zurückhaltend. Da gibt es noch einiges an Luft nach oben.“ Umgekehrt, sagt er, solle man nicht das Leben in die Hände von Maschinen geben, sich aber dort, wo es sinnvoll ist, das Leben mit Technologie erleichtern.

„Bei der Suche und der Auswahl der richtigen Kandidaten sind HR-Abteilungen noch immer sehr altmodisch unterwegs“, sagt Haak, der am 10. und 11. Oktober einer der Vortragenden bei HR Inside Summit in der Wiener Hofburg sein wird. Altmodisch, „was die Methoden, aber auch die Einstellungen betrifft“.

Die Arbeit sei mit viel Bias behaftet, also mit kognitiven Verzerrungen aufgrund des eigenen Wahrnehmens, Erinnerns, Denkens und Urteilens. Und, sagt Haak, „Recruiter überschätzen tendenziell ihre Fähigkeit, Menschen richtig einzuschätzen.“ Auch, weil sie auf die falschen Kriterien schauen: Etwa das Auftreten oder das Aussehen, obwohl das für den betreffenden Job gar nicht relevant ist.

Das sei aber nicht unbedingt ihre Schuld. Denn überhaupt sind die Kriterien für Topperformance den Unternehmen nicht klar: Da heißt es dann in der Ausschreibung, soundsoviele Jahre Berufserfahrung sind gefragt, obwohl diese Dauer gar nicht der entscheidende Punkt ist. „Wichtiger ist meist die Lernfähigkeit und –bereitschaft, weil wir ja ohnehin nicht wissen können, wie zukünftige Jobs genau aussehen werden“, sagt Haak. Und gerade solche Kriterien rund um das Lernen können Maschinen besser erkennen.

„Wenn HR neue Technologien einsetzt, dann muss das transparent sein“, sagt Haak. Darunter fällt unter anderem, auch jenen eine Lernchance anzubieten, die nicht aufgenommen werden: „Das heißt, die Absage erläutern und es nicht von einem Bot erledigen lassen.“

Überhaupt gelte: „Unternehmen müssen in der HR mehr kandidatenfokussiert arbeiten. Sie sind aufgabenzentriert und nicht personenorientiert und auf das Individuum eingestellt.“

Da könnten die Personalisten viel vom Zugang und Verständnis der Einzelhändler und Marketer lernen. Diese wollen schließlich auch nicht bloß wissen, wie Personas agieren, also prototypische Vertreter einer Gruppe. „Sie wollen ganz genau wissen, was dieser Tom Haak kauft. Ganz individuell was, wann und wovon wie viel.“ Und genau dieses Wissen über den einzelnen Mitarbeiter werde gute Personalarbeit zu einem Teil ausmachen: datengesteuert und evidenzbasiert, nennt Haak das.

Je mehr Daten aus umso mehr Quellen, desto besser. „Man muss es nur transparent machen“, sagt Haak. „Etwa wenn man so weit geht und Programme verwendet, die die Tonalität der Texte in Mails erkennen, die ein Mitarbeiter verfasst, und so Auskunft über die Stimmungslage geben.“ Das klinge ein wenig gespenstisch, sei in manchen Unternehmen aber schon im Einsatz. „Wenn Mitarbeiter erkennen, dass es zu ihrem Nutzen ist, Daten herzugeben, dann werden sie es auch tun. Sie tun es ja auch bei Spotify, Amazon und anderen Plattformen, weil sie wissen, dass der Service dann besser wird.“ Das brauche Vertrauen, „keine Frage“.

Mehr Zeit für die Mitarbeiter

Technologien und Programme, die Künstliche Intelligenz einsetzen, verändern längst die Rolle der Personalabteilungen. „Was Maschinen machen können, werden auch Maschinen machen. Jobs werden verschwinden. Recruiter werden wir in dieser Form nicht mehr brauchen“, sagt Haak. Die erste Interaktion mit Bewerbern können auch Bots gut erledigen.

„Jahrelang wollte die HR näher zum Management rücken. Darüber verlor sie den Kontakt zu den Mitarbeitern. Jenen zum Management erreichte sie nie im gewünschten Maß.“ Wenn Maschinen lästige Routinearbeit abnehmen, dann haben „Personaler die Chance, sich wieder mehr persönlich um Mitarbeiter zu kümmern“.

ZUR PERSON

Tom Haak ist Direktor des HR Trend Institute in Amsterdam, das sich mit Entwicklungen in der Human-Resources-Szene befasst. Er ist einer der Vortragenden beim HR Inside Summit in Wien (Hofburg, 10. und 11. Oktober). Weiters sprechen u. a. Maxim Strashun (Lenovo) und Petra Jenner (Institut für Personalmanagement St. Gallen). www.hrsummit.at. [ HR Trend Institute ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2018)

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