Todesfalle Schnappschuss in „Polaroid“: Bitte zum letzten Mal lächeln!

Todesfalle Schnappschuss: „Polaroid“ von Lars Klevberg.
Todesfalle Schnappschuss: „Polaroid“ von Lars Klevberg.Polyfilm
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In „Polaroid“ knipst eine verfluchte Sofortbildkamera Teenagern das Licht aus. Der Film lehrt die Generation Selfie, verantwortlich mit Bildern umzugehen.

Es soll ja indigene Völker geben, die sich vor Kameras fürchten, weil sie Schnappschüsse für eine Form von Seelendiebstahl halten. Stimmt das, hat der Teufel längst jedes Interesse an uns Menschen verloren. Spätestens seit der Erfindung des Smartphones läuft dann nämlich ein Gros der Weltbevölkerung restlos entseelt durch die Gegend.

Doch das urwüchsige Unbehagen am fotografischen (Ab)Bild lässt sich nicht so leicht austreiben. Immer noch wohnt Fotos die Kraft inne, uns ontologisch zu irritieren. Vielleicht erkennt man sich selbst nicht wieder. Vielleicht macht die verewigte Momentaufnahme einem erst bewusst, wie vergänglich man ist. Horrorfilme spielen seit jeher mit diesen Motiven. Ein aktuelles Beispiel: „Polaroid“ von Lars Klevberg.

Der Spuk entspringt hier dem Objektiv einer Sofortbildkamera (einer aufklappbaren SX-70, um genau zu sein). Eines Tages fällt das ausrangierte Gerät dem schüchternen Teenagermädchen Bird (Kathryn Prescott) in den Schoß. Sein Retro-Charme zieht Blicke an, die sonst durch sie hindurchgehen. Also macht Bird einen auf Party-Paparazzi. Ein Klick, und die Clique lacht vom Papierfilm.


Gruselige Vintage-Ästhetik. Was freilich Konsequenzen hat. Im Bildhintergrund dräut ein dunkler Schatten, der die Porträtierten heimsucht – und auf grausame Weise ausknipst. Wer steckt dahinter? Die Verfluchten gehen auf Spurensuche. Atmosphärisch setzt der Film voll auf die Gruselwirkung von Vintage-Ästhetik. Auch wenn sich Polaroid-Kameras in Hipster-Kreisen nach wie vor größter Beliebtheit erfreuen, haftet ihnen etwas unheimlich Altmodisches an. Ihre technischen Eigenheiten – der Blitz, der surrende Ton nach dem Abdrücken, die Wartezeit bis zur vollständigen Bildentwicklung – sorgen in „Polaroid“ wiederholt für Spannung und Schreckmomente.

Seltsam verzopft wirkt auch die Welt, durch die sich die Hauptfiguren bewegen: Bird arbeitet in einem Antiquitätenladen, und über jeder Einstellung scheint ein Sepia-Schleier zu hängen, der für Instagram bestimmt zu muffig wäre. Selbst in seiner Erzählstruktur und Genremechanik orientiert sich „Polaroid“ eher an modernen Klassikern wie „A Nightmare on Elm Street“ und „The Ring“ als an jüngeren Teeniehorrorhits. Statt alle fünf Minuten den Herzkasper-Knopf zu betätigen, bemüht Regisseur Klevberg lieber die altgediente Schleich-und-Schock-Routine, die manchmal auch ins Leere laufen darf. Mit „Polaroid“ feiert der Norweger seinen Hollywood-Einstand auf Basis seines gleichnamigen Kurzfilm-Schauerstücks. Sein Folgewerk, ein Remake von „Chucky – Die Mörderpuppe“, ist bereits abgedreht.

Bei aller Analog-Seligkeit gehören die Ängste, die der Film anzapft, der digitalen Gegenwart an. Der größte Albtraum einer Jugend, die täglich Stunden damit verbringt, ihr Social-Media-Image zu pflegen, ist das unliebsame Bild, das sich nicht löschen lässt – und die „Polaroid“-Protagonisten sind unverbrüchlich mit ihren verwunschenen Aufnahmen verbunden. Wer sein Konterfei anzündet, geht selbst in Rauch auf. Gegen Ende kristallisiert sich hier, wie bei etlichen Horrorfilmen mit jugendlicher Zielgruppe, eine klare Moral heraus: Nicht jedes Foto ist es wert, gemacht zu werden. Klick!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2019)

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