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Manson-Morde: Wer war Sharon Tate?

Mit den Morden der Charles-Manson-Anhänger am 9. August 1969 hätte der „Sommer der Liebe“ geendet, heißt es. Wer war die Frau, die – hochschwanger – brutal getötet wurde?

Sharon Tate ist in der öffentlichen Wahrnehmung zuallererst ein Opfer. Ihr brutaler Tod erlangte weltweite Bekanntheit – manche sagen, dass mit ihm der „Sommer der Liebe“ und die Sechziger endeten.

Die Schauspielerin wurde kurz nach Mitternacht, am 9. August 1969, von Mitgliedern der „Manson-Familie“ ermordet. Susan Atkins, Charles Watson und Patricia Krenwinkel drangen damals in das Haus am Cielo Drive in Los Angeles ein, das Tate und ihr Ehemann, der Regisseur Roman Polanski, gemietet hatten. Linda Kasabian fuhr den Fluchtwagen. Ermordet wurden in dieser Nacht auch drei Freunde Tates und ein Besucher ihres Hausmeisters.

Die Täter waren mit Bajonetten, Pistolen und Messern bewaffnet. Zuerst erschossen sie den 18-jährigen Studenten Steven Parent in der Einfahrt. Ein zufälliges Oper, er war ein Bekannter des Hausmeisters. Dann versammelten die Täter alle, die sich im Haus befanden, im Wohnzimmer. Zuerst erschossen sie Jay Sebring, Starfriseur und Ex-Freund von Tate. Sie erstachen die Kaffeefirma-Erbin Abigail Folger und ihren Freund Wojciech Frykowski, einen polnischen Schriftsteller und Schauspieler, die zu flüchten versuchten. Dann töteten sie Tate mit 16 Messerstichen. Die Täter entstellten die Opfer. Mit Tates Blut schrieben sie das Wort „Pig“ (Schwein) auf die Eingangstür.

Die Schauspielerin war damals 26 Jahre alt und im neunten Monat schwanger. Ehemann Polanski hatte Tates Freunde gebeten, sie nicht alleine zu lassen, während er in London an einem Film arbeitete.

„Ich will nicht sterben. Ich möchte noch mein Baby bekommen“, hatte sie vor ihrem Tod gebettelt, erzählte eine der Täterinnen später.

Vier Tage nach dem Mord wurde Tate auf dem Holy Cross Cemetery beigesetzt. In ihren Armen ihr ungeborener Sohn, der posthum Paul Richard Polanski genannt wurde.

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Jan 6 2012 SHARON TATE Supplied by Photos inc Sharon Tate murder PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxO(c) imago/ZUMA Press (imago stock&people)

In zweiter Linie bekannt ist Sharon Tate als verstorbene Ehefrau des umstrittenen Meisterregisseurs Polanski. Ihn lernte sie 1966 bei den Vorarbeiten zu „Tanz der Vampire“ (The Fearless Vampire Killers) kennen, in dem sie die weibliche Hauptrolle spielte. Anfangs waren die beiden nicht sonderlich voneinander beeindruckt. Sie war nicht seine erste Wahl gewesen und er hatte wenig Geduld mit der noch unerfahrenen Schauspielerin. Das Verhältnis der beiden änderte sich aber im Laufe der Dreharbeiten.

Diese fanden zum Teil in Italien statt – und es kam der Filmcrew zupass, dass Tate fließend Italienisch sprach. Ihr Vater gehörte der US Army an, die Familie war ständig umgesiedelt. Als Tate 18 war, lebte sie für ein Jahr in Verona. Sie galt als schüchtern und hatte wegen der vielen Umzüge wenige Freunde. In Italien knüpfte sie erste Kontakte zur Filmbranche – „Hemingways Abenteuer eines jungen Mannes“ mit Paul Newman wurde in der Nähe gedreht und Tate wurden Statistin.

Auftritte in „Mister Ed“ und „The Beverly Hillbillies“

Zurück in den USA zog sie nach Los Angeles. Sie hatte zuvor einige Schönheitswettbewerbe gewonnen, nun wollte sie Schauspielerin werden. In Hollywood nahm sie der Filmproduzent Martin Ransohoff unter seine Fittiche. Er hielt sie zurück – er besorgte ihr kleine Rollen, etwa in den Serien „Mister Ed“ und „The Beverly Hillbillies“. Daneben nahm Tate Schauspielunterricht. „Ransohoff wollte nicht, dass das Publikum mich sieht, bis ich so weit bin“, erzählte sie einmal in einem Interview.

Es war auch ihre Schüchternheit und Unerfahrenheit, wegen der sich Sam Peckinpah entschied, sie in „Cincinatti Kid“ doch nicht zu besetzten (statt ihr bekam Tuesday Weld die Rolle; Peckinpah gab den Film schließlich an Norman Jewison ab). Diese Unsicherheit, gemischt mit ihrer erotischen Ausstrahlung und einem Hauch Unschuld, war es, die sie von anderen Hollywood-Starlets unterschied.

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DIE SCHWARZE 13 Eye of the devil GB 1967 J Lee Thompson Szene mit SHARON TATE Odile Regie J(c) imago images / United Archives (via www.imago-images.de)

Ende 1965 bekam sie endlich ihre erste große Rolle: In dem Horrorfilm „Die schwarze 13“ (Eye of the Devil) spielte sie eine Hexe, die Macht über einen Landbesitzer und seine Frau erlangt. Ihre Co-Stars David Niven und Deborah Kerr sagten ihr eine große Karriere voraus.

Zu der Zeit war Tate mit Jay Sebring liiert – einen Heiratsantrag lehnte sie aber ab, weil sie sich auf ihre Karriere konzentrieren wollte. Nach „Die schwarze 13“ bekam sie – mit Unterstützung Ransohoffs – die Rolle in „Tanz der Vampire“. Nach dem Ende der Dreharbeiten 1966 zog Tate in Polanskis Londoner Wohnung ein. Sebring war am Boden zerstört und reiste nach London, um seinen Nachfolger kennenzulernen, blieb aber mit Tate befreundet.

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Jan 20 1968 London England U K Actress SHARON TATE and Polish born film director ROMAN POL(c) imago images / ZUMA/Keystone (via www.imago-images.de)

Dass zwei Unverheiratete offen unter einem Dach wohnten, war damals ein Skandal. Am 20. Jänner 1968 heirateten die beiden so unterschiedlichen Stars der Filmbranche. Sie, das hübsche, amerikanische Mädchen, er, der zehn Jahre ältere Überlebende des Krakauer Ghettos, dessen Filme immer auch eine düstere Seite haben. Die Schöne und das Biest: Immer wieder gibt es Gerüchte über die Beziehung der beiden, über Sex und Drogen. Genährt werden sie von Polanskis Leben nach Tates Tod: 1977 missbrauchte er eine damals 13-Jährige sexuell und floh vor der Strafverfolgung aus den USA, die er seither nie mehr betreten hat.

„Roman und Sharon, das war wahre Liebe"

„Roman und Sharon, das war wahre Liebe, so weit ich das beobachten konnte“, sagte Tates Schwester Debra in einem Interview 2018. Bei einer Pressekonferenz nach den Morden sagte der sichtlich aufgewühlte Polanski zu Journalisten: „Ihr habt geschrieben, wie schön sie war. Aber habt ihr auch geschrieben, wie gut sie war?“

Vor fünf Jahren schrieb er ein Vorwort zu einer von Tates Schwester Debra herausgegebenen Biografie: „Sharon war mehr als nur ein wunderschöner Anblick. Sie war kein dummes, naives Klischee-Starlet. Was mich am meisten an ihr beeindruckte, abgesehen von ihrer außergewöhnlichen Schönheit, war ihre Ausstrahlung, die von einem gutherzigen und sanftmütigen Wesen kommt“, schrieb der Regisseur. „Dass sie mit mir zusammen lebte war ein Beweis für ihre Geduld, denn in meiner Nähe zu sein muss eine Qual sein.“

MGM DR LE BAL DES VAMPIRES THE FEARLESS VAMPIRE KILLERS or PARDON ME BUT YOUR TEETH ARE IN MY NE
MGM DR LE BAL DES VAMPIRES THE FEARLESS VAMPIRE KILLERS or PARDON ME BUT YOUR TEETH ARE IN MY NE(c) imago/Prod.DB

Um wirklich als Schauspielerin in Erinnerung geblieben zu sein, ist Tates Filmografie vermutlich zu kurz. Am ehesten kennt man sie eben aus „Tanz der Vampire“, heute ein Filmklassiker. Nach diesem drehte sie nur mehr vier Filme: Die Beziehungskomödie „Die nackten Tatsachen“ („Dont' Make Waves“) mit Tony Curtis bezeichnete sie selbst als „schrecklichen Film“.

In der Bestsellerverfilmung „Das Tal der Puppen“ („Valley of the Dolls“) spielte sie eine junge Frau, die aus finanzieller Not zur Pornodarstellerin wird. Dafür wurde Tate für den Golden-Globe als Beste Nachwuchsdarstellerin nominiert. In der Komödie „Rollkommando“ („The Wrecking Crew“) mit Dean Martin als Spion, einer Art James-Bond-Parodie, choreografierte Bruce Lee eine Kampfszene zwischen Tate und Nancy Kwan.

Postum veröffentlicht wurde „Zwölf plus eins“ („The Thirteen Chairs“), bei dessen Dreharbeiten sie bereits schwanger war. Der Film handelt von der Jagd nach einem Stuhl mit wertvollem Inhalt, denn in einem von ihnen ist Schmuck eingenäht.

„Ich sehe mich nicht in Shakespeare-Rollen“

Tate selbst machte sich wenig Illusionen über ihre Karriere. Sie fürchtete, nur auf ihr Äußeres reduziert zu werden, aber sie hoffte, eine Nische zu finden. „Ich bin kein Narr. Ich sehe mich nicht in Shakespeare-Rollen“, sagte sie. Sie sah sich vor allem in Komödien, und nannte Faye Dunaway und Catherine Deneuve als Vorbilder: „Ich wäre gerne eine amerikanische Catherine Deneuve. Sie spielt schöne, sensible Rollen mit Tiefe und mit ein bisschen Intelligenz dahinter.“

Die Chance, ihre Vorbilder einzuholen, sollte sie nicht kriegen. Warum gerade Tate und ihre Freunde von den Manson-Anhängern ermordet wurden, darüber wird immer noch spekuliert. Manche behaupten, dass das Haus der Grund gewesen sei: In dem Anwesen am Cielo Drive wohnte vor Tate und Polanski deren Freund, der Musikproduzent Terry Melcher. Dieser hatte einst ein Demo von Manson abgelehnt. Einer der Täter kannte es zudem von einer Party aus der Zeit, in der Melcher dort lebte. Auch von einem Versuch, um von anderen Morden der „Manson-Familie“ abzulenken, ist die Rede. Oder dem Wunsch, mit den Taten einen „Rassenkrieg“ zu entfachen …

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RELEASE DATE August 9 2019 TITLE Once Upon a Time in Hollywood STUDIO DIRECTOR Quentin Taranti(c) imago images / ZUMA Press (via www.imago-images.de)

Charles Manson, der seine Anhänger zu den Taten angestiftet und selbst Morde begangen hatte, ist inzwischen verstorben, ebenso wie Susan Atkins. Charles Watson und Patricia Krenwinkel sitzen immer noch in Haft. Linda Kasabian wurde damals Kronzeugin und deswegen nicht verurteilt. Sie lebt inzwischen unter einem anderen Namen. Um den Kommunenführer Manson und seine „Familie“ ist inzwischen ein regelrechter Kult entstanden. Musiker beziehen sich auf ihn und seine Gefolgschaft (Marilyn Manson, Guns 'N' Roses, Kasabian). Man kann in Los Angeles Touren auf den Spuren der Morde machen.

Auch im Kino sind die Morde präsent. Sie bilden den Hintergrund zu Quentin Tarantinos neuem Film „Once Upon a Time in Hollywood“. Darin wird Tate von Margot Robbie verkörpert, sie spielt allerdings nur eine Nebenrolle mit sehr wenig Text.

„Welche Gnade habt ihr meiner Tochter gezeigt?"

Dass der Kult um die „Manson-Morde“ nicht die Person Tate völlig überdeckt, ist der Familie der Schauspielerin ein Anliegen. Nach dem Tod von Tates Mutter Doris und ihrer Schwester Patti betreibt ihre jüngste Schweser Debra eine Webseite zu ihrem Gedenken.

Die vehemente und laute Kritik von Doris Tate sorgte sogar für eine Änderung im Strafgesetz Kaliforniens 1982. Diese Änderung machte es Verbrechensopfern und deren Familien möglich, sogenannte „Victim Impact Statements“ während der Gerichtsverhandlungen von Häftlingen und bei nachfolgenden Anhörungen über Hafturlaub oder Begnadigung abzugeben. Das tat Doris Tate auch 1984 bei der Begnadigungsanhörung eines der Täter: „Welche Gnade habt ihr meiner Tochter gezeigt, als sie um ihr Leben gebettelt hat?“ fragte die Mutter der Ermordeten damals. „Welche Gnade habt ihr gezeigt, als sie sagte, ,Gebt mir zwei Wochen, um mein Baby auf die Welt zu bringen und tötet mich dann'?“

Mordserie

Die Gruppe "Manson Family" ermordete im August 1969 im Auftrag des Kultführers insgesamt sieben Menschen. Neben Sharon Tate, Jay Sebring, Wojciech Frykowski, Abigail Folger und Steven Parent auch den Geschäftsmann Leno LaBianca und dessen Ehefrau Rosemary.

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