Buchbinder gibt Schuberts Musik Luft zum Atmen

(c) Rudolf Buchbinder/ Homepage
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Der Pianist begeisterte das Publikum im Wiener Musikverein mit Chopin, Schubert und Bach.

Rudolf Buchbinder hat es gut. Er muss niemandem mehr seine Virtuosität beweisen. Das weiß er, und davon profitierte am Montag im Wiener Musikverein zunächst Franz Schubert. Buchbinder – der Beethoven-Zyklus ist gestemmt, nun geht es wieder mehr in die Breite – hat für sein Recital unter anderem Schuberts erste Impromptu-Serie D 899 mitgebracht. Die Nummer zwei, ein Perpetuum mobile in Es-Dur, verführt viele Pianisten dazu, einen Geläufigkeitsnachweis zu erbringen, der das Stück zur Etüde degradiert und ihm in der Regel nicht nur seinen Charme nimmt, sondern dem Hörer auch die Möglichkeit, im melodischen Auf und Ab der Achteltriolen-Wellen gleichsam mitzuschwimmen. Nicht, dass Buchbinder es langsam spielen würde, das Allegro bleibt ein Allegro, aber ein (ab)gemessenes, das dem musikalischen Gehalt Luft lässt, sich zu entfalten.

Überhaupt hat Buchbinder meist ein feines Gespür dafür, wo man sich bei Schubert als Interpret besser zurücknimmt, statt diese dahinfließenden Kleinodien mit gefühligem Rubato zu überfrachten. Nur ganz zu Beginn des ersten Stücks, dieses monothematischen Mirakels in c-Moll, gestattet er sich eine Extravaganz und gestaltet das Thema, wenn es zweimal in der rechten Hand allein auftritt, betont frei – wodurch er dessen Schlichtheit verfremdet – die beidhändige Beantwortung hingegen straff. Im letzten Stück wiederum hält er beim Zueilen auf die Schlussakkorde ein wenig inne und verleiht dem eigentlich triumphierenden Ende dadurch eine leichte Eintrübung, wie sie zum „Gräberton“ As-Dur durchaus passt.

Ein strenger, spröder Bach

Unaufgeregt, stellenweise fast introvertiert, nähert sich Buchbinder auch Chopins dritter Sonate in h-Moll. Er versenkt das Stück nicht im Nebel des Schwelgerischen, meidet den Oberflächenglanz, mit dem man bei Chopin so leicht Wirkung erzielen könnte. Stattdessen dringt er mit seinem geradlinigen, transparenten Spiel zum tragenden Gerüst dieser Musik durch. Und wenn die Statik stimmt, dann ergibt sich der Rest ganz natürlich. Auch hier verzichtet Buchbinder darauf, seine Virtuosität in den Vordergrund zu rücken, er versteckt sie freilich auch nicht.

Die technischen Anforderungen bleiben aber stets Mittel zum Zweck, auch bei Chopins draufgegebenem Fantasie-Impromptu mit seinem fingerfordernden Laufwerk. Mit der zweiten und letzten Zugabe, der Gigue aus Bachs Partita B-Dur, schloss Buchbinder den Kreis zum Beginn seines Klavierabends: Bachs Englischer Suite Nr. 3, bei der er es mit der Nüchternheit eine Spur weit getrieben hatte: gleichförmig, streng und spröde, ohne viel Augenmerk auf harmonischen Verläufe, die Buchbinder sonst wichtig sind. Doch der Chopin dazwischen scheint ein wenig abgefärbt zu haben, so stand am Ende dieses Recitals dann doch noch ein Bach, dem auch Leben eingehaucht wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.11.2016)

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