Als Rossini die Kulinarik noch einmal mit dem Komponieren tauschte

(c) Werner Kmetitsch
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Die Wiener Symphoniker, der Singverein und ein starkes Solistenquartett mit Rossinis eigenwillig opernhaftem „Stabat Mater“.

Ein Segen, dass Gioacchino Rossini in seiner zweiten, vorwiegend kulinarischen Genüssen gewidmeten Lebenshälfte, doch noch sporadisch den Ess- mit dem Komponiertisch tauschte. Man verdankt dieser Phase sein „Stabat Mater“, eine der eigenwilligsten sakralen Kompositionen. Sie berührt, obwohl – oder vielleicht weil – ihr alles Weihevolle abgeht; und sie erforderte erstens unbedingt vier gestandene Opernstimmen, die sich aber zweitens nicht ganz wie auf einer Opernbühne in Szene setzen sollten.

Die erste Bedingung wurde am Mittwoch im Wiener Musikverein jedenfalls glänzend erfüllt: Mit Marina Rebeka (Sopran), Margarita Gritskova, (Mezzo), Mario Zeffiri (Tenor, eingesprungen für Joel Prieto) und Luca Pisaroni (Bass) war tatsächlich ein starkes Solistenquartett aufgeboten. Gritskova und Pisaroni allerdings hatten weniger Schwierigkeiten als ihre Kollegen, sich als Teil des Kollektivs zu begreifen, zu dem diesfalls auch noch die Wiener Symphoniker und der Wiener Singverein gehörten, alles unter der Stabführung von Andres Orozco-Estrada. Im eröffnenden „Stabat Mater dolorosa“ war das Solistenquartett jedenfalls von der Balance her recht inhomogen, und beim Damenduett (Nr. 3) drängte Rebeka ihre Nachbarin Gritskova, der man nichts weniger nachsagen kann als eine volumenschwache Stimme, mit ihrem harten, metallischen Sopran vokal regelrecht ab. Die beiden Stimmen mischten sich schlicht nicht, und Gritskova war da mit ihrem Bemühen um eine subtile Linienführung fast auf verlorenem Posten.

Mit dem Zugriff eines Belcanto-Helden

Für die Herren ist ja kein Duett vorgesehen, und so konnte der beeindruckend höhensichere Zeffiri mit dem vokalen Zugriff eines Belcanto-Helden glänzen und sich, ohne Rücksicht nehmen zu müssen, mühelos über das Orchester erheben. Für den emotional dichtesten Moment sorgten Luca Pisaroni und der von Johannes Prinz einmal mehr bestens vorbereitete Chor im dialogisch gearbeiteten „Eja, Mater“ – und es waren dann auch die Stimmen Pisaronis und Gritskovas, die im zweiten Quartett („Sancta Mater“, Nr. 6) am besten miteinander harmonierten. Je länger das Werk dauerte, desto homogener wurde überhaupt der Gesamtklang, bei dem Orozco-Estrada vor allem der Eleganz des Rossinischen Satzes zur Geltung verhalf.

Um Tod ging es auch im ersten Teil des Konzerts, den die Symphoniker und Orozco-Estrada mit einer sachlich-soliden Wiedergabe von Richard Strauss‘ Tondichtung „Tod und Verklärung“ bestritten.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2016)

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