Mit ihrer vollkommenen Stimme lebte die amerikanische Sängerin kulturelle Verschmelzung wie keine andere im Klassikbetrieb - und befreite diesen aus dem Elfenbeinturm.
Mag an Zufälle glauben, wer will: Am Montagabend spielte die New Yorker Met „Porgy and Bess". Die Aufführung widmete man spontan dem Andenken einer der berühmtesten Sängerinnen des 20. Jahrhunderts: Jessye Norman war wenige Stunden zuvor in einem New Yorker Spital gestorben. Welches Werk hätte besser zur Ehrenbezeugung getaugt als George Gershwins ausschließlich von Farbigen zu singendes Musikdrama, das den Einzug der Spirituals auf die bis dahin vollkommen von den "Weißen" beherrschte Opernbühne markierte?
Jessye Norman hat die kulturelle Verschmelzung, die sich mutige Vertreter ihrer Generation auf die Banner geschrieben hatten, verkörpert, gelebt wie keine andere Künstlerin im sogenannten Klassik-Business, das auch dank ihr von seinem Dasein im Elfenbeinturm befreit wurde.