Plattenkritik

Wienerische Spielkultur: Das Erbe Paul Badura-Skodas

Wolfgang Schneiderhan, Boris Pergamenschikov, Paul Badura-Skoda: „Schubert: Klaviertrios“
Wolfgang Schneiderhan, Boris Pergamenschikov, Paul Badura-Skoda: „Schubert: Klaviertrios“(c) Gramola
  • Drucken

Schubert. Die Klaviertrios, gespielt vom kürzlich verstorbenen Pianisten, Schneiderhan und Pergamenschikow: eine tönende Erinnerung.

Vor Kurzem ist Paul Badura-Skoda gestorben. Der Pianist hinterlässt ein reiches Erbe an Musikaufnahmen, die seine Karriere vom virtuos-draufgängerischen Frühstadium bis zum abgeklärten Spätherbst eines historisch vollständig informierten, im besten Sinn des Wortes „gelehrten“ Interpreten dokumentieren. Mag an den späten Aufnahmen technisch mancher Makel zu entdecken sein, die musikantische Geste, das Wissen um Formverläufe und Spannungsbögen, um melodische Entwicklungen vor allem, das schimmert stets durch und sichert den Aufnahmen die Wertschätzung der Kenner.

Solche werden sich auch an den Schubert-Aufnahmen delektieren, die soeben in den Handel gekommen sind. Sie dokumentieren Wiedergaben der beiden Klaviertrios des Meisters, musiziert von Badura-Skoda mit Wolfgang Schneiderhan und Boris Pergamenschikow, dessen seidig leuchtender Celloton sich dem wienerisch direkten Spiel der beiden Kollegen empathisch anzugleichen weiß.

1981 entstand im ORF-Sendesaal die Aufnahme des B-Dur-Trios. Drei Jahre später spielten die drei bei den Salzburger Festspielen das Es-Dur-Werk, der ORF war dabei. So liegen die Stücke nun im Doppelpack auf CD vor – und lassen Erinnerungen an Zeiten wach werden, in denen die österreichische Spielkultur noch zumindest in letzten Ausläufern spürbar war.

Zündend, aber nicht überzogen

Was das bedeutet, lässt sich schwer in Worte fassen, wird aber sensiblen Hörern bereits in den ersten Takten des Eingangsallegros von D 898 deutlich: Der schwungvolle Einstieg ist zündend, aber nicht überzogen; und Schneiderhans Präsentation des Hauptthemas strebt fühlbar über die ersten Takte hinaus in seine Weiterführung. Die sanften Rubati, die er sich dabei gönnt, sind kaum messbar, aber sichern dem „Dialekt“, der hier gesprochen wird und dem man manche Intonationstrübung gern verzeiht, seine Authentizität. Von daher nehmen auch wunderbar zurückgenommene Momente wie der Schluss der Exposition ihre Berechtigung (wer's kontrollieren möchte: Cut 1, ab circa 3'20).

Das Denken in größeren Formeinheiten sichert auch längeren Abschnitten, etwa der großen Steigerungswelle in der Durchführung des Kopfsatzes im Es-Dur-Trio, die dramaturgische Stringenz. Nicht ganz unwichtig ist das beim so behutsam-freundlich beginnenden Schlusssatz, dessen enorme Länge inklusive der Einbindung von Rückblenden auf frühere Sätze sich unter den Händen der drei Meistermusikanten spannend verdichtet. Dass die Musik aus dem (zu gewaltiger Größe anwachsenden) Andante wiederkehrt, weckt melancholische Erinnerungen – wie (aus anderen Gründen) der Charme, mit dem Badura-Skoda die Scherzo-Sätze anführt. Ein Erinnerungsprotokoll, das – leider aus traurigem Anlass – gerade zur rechten Zeit kommt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.