Belvedere

Stella Rollig: „Wir sind frei, keine Blockbuster zu zeigen“

Stella Rollig
Stella Rollig(c) Die Presse (Michele Pauty)
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Belvedere-Direktorin Rollig hat einen Publikumsrekord zu vermelden und steht vor dem ersten Jahr, dessen Programm sie durchgehend selbst bestimmt hat. Es beginnt mit unbekannten Künstlerinnen um 1900 und Attersee.

Ihre Attersee-Ausstellung 2019 hat ungeahnte Werbung bekommen durch die Aufregung um Attersees Ski-Plakat mit der Nackerten. Sie haben daraufhin versichert, keinen Sexismusverdacht gegen Attersee zu hegen. Jetzt wurde das Sujet auch noch als Werbeplakat zurückgezogen und aus der Licht-ins-Dunkel-Auktion entfernt. Ist das überzogen?

Stella Rollig: Die Diskussion, ob man nackte Körper noch zeigen kann und wenn dann wie, ist hier schon impliziert. Aber es ist aus meiner Sicht ein Unterschied, ob ein kommerzielles Werbeplakat einen nackten Frauenkörper einsetzt wie die berühmte Nackte, die sich auf der Kühlerhaube räkelt, oder ob ein Werk im Museum hängt. Attersee ist sich dieser Unterschiede sicher bewusst, weil er in seinem Leben als Pop-Art-Künstler ständig diese Grenzüberschreitungen selber vornimmt. Wir sind heute aber in einer Zeit, in der Interessensgruppen, die sich beleidigt fühlen, recht bekommen. Dass das Attersee-Plakat jetzt verschwindet ist unangemessen. Wenn man sich mit dem Werk dieses Künstlers beschäftigt, sieht man das in einem anderen Zusammenhang. Ich finde es als Plakat jetzt auch nicht wahnsinnig gelungen. Aber es abzuziehen gefällt mir auch nicht. Es ist eine Lose-Lose-Situation, wie Sie das auch schon bezeichnet haben. Man kann nicht eindeutig sagen, das geht, das geht nicht. Es ist einerseits schade, dass wir uns in so einer Situation befinden. Andererseits ist es gut, dass das Bewusstsein dafür so geschärft wurde, dass gewisse Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen nicht mehr so einfach hingenommen werden. 

Man müsste sonst ja den halben Klimt bei Ihnen abhängen.

Man muss die Darstellung des nackten weiblichen Körpers schon als Fakt der Kunstgeschichte anerkennen, den man nicht ausradieren kann. In diesem Fall muss man sagen: Kunst ist Kunst und alles andere ist alles andere. Das können wir schon aushalten, wenn die Museen voll von diesen Bildern sind. Auf der Mariahilfer Straße hängt übrigens ein riesiger nackter Mann von Attersee, und zu dem hat überhaupt noch nie jemand einen Mucks getan. Es ist ein bisschen ermüdend diese Diskussion.

Von den nackten Frauen auf den Bildern zu den bisher wenig bekannten Künstlerinnen der Wiener Moderne, denen sie 2019 eine große Ausstellung widmen. Das ist ja das erste Jahr, in dem Sie das ganze Programm bestimmt haben.

Ja, 18 Ausstellungen in allen Häusern. 

Ihre ersten Signature-Ausstellungen heuer waren zwei internationalen Künstlerinnen gewidmet, Donna Huanca und Polly Apfelbaum. Manche hatten schon Angst, dass weiterhin wenige österreichische Positionen vorkommen werden. Schaut aber nicht so aus 2019 – unter anderm mit der Jungen österreichischen Szene, Josef Bauer, Johanna Kandl.

Das war mir auch im Lentos wichtig: Das Programm eines Hauses muss kontinuierlich zur Bildung eines konzisen Profils beitragen. Im Belvedere kann man das so wunderbar machen, weil wir durch den starken Besucherandrang zum „Kuss“, zum Weltkulturerbe Belvedere so aufstellt sind, dass wir frei sind, in den Sonderausstellungen keine Blockbuster programmieren zu müssen. Nicht, dass wir uns auferlegt haben, das nicht zu tun. Wir haben die Freiheit, können gegen den Strich programmieren, unbekanntere Positionen zeigen. Allerdings muss jede Ausstellung eine Begründung haben. Ich warne nur sehr vor der Forderung nach mehr „eigenen“ Künstlern, das ist ja fürchterliches rassistisches, nationalistisches Denken. Wir bekennen uns zum Gründerauftrag, Schwerpunktmäßig österreichische Kunst im Kontext internationaler Referenzwerke zu zeigen.

2018 rechnen Sie wieder mit einem Besucherrekord, der steigende Tourismus trägt wohl das seine dazu bei.

Die Hochrechnung auf alle Häuser beträgt über 1,5 Millionen Besucher, 70.000 davon gehen ins Belvedere 21, 331.000 ins Untere Belvedere. Das ist an allen Standarten deutlich mehr als im vorigen Jahr. Natürlich ist dieser Anstieg stark dem Tourismus geschuldet, aber darauf wollen wir uns nicht ausruhen. Würden wir das als Selbstläufer betrachten, hätten wir die Dauerausstellung nicht neu eingerichtet.

Wäre wohl auch nicht notwendig gewesen.

Das könnte man zynisch so sehen, es wären wohl nicht wesentlich weniger Besucher gekommen. Wir könnten auch gar keine Sonderausstellungen mehr machen. Da würde uns der Anteil der Österreicher zum Teil wegbrechen.

Die Österreicher holen sich ihre Kunst in der Albertina, ist Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder stolz. Wurmt Sie das?

Man kann immer auf irgendetwas stolz sein, ich bin stolz, dass die meisten Ausländer zu uns kommen. Aber es ist eine Tatsache: Das Belvedere wird zu 80 Prozent von ausländischen Gästen besucht. Im Oberen Belvedere sind das sogar 90 Prozent. Es werden auch immer mehr Österreicher und Österreicherinnen, aber der Anstieg hier kann mit dem starken touristischen Anstieg nicht mithalten. Wir tun viel speziell für das lokale Publikum, etwa die „Free Friday Nights“, wo es zusätzlich zum freien Eintritt ein extrem vielfältiges Vermittlungsprogramm gibt.

Von den Touristen ist die größte Gruppe aus Korea im Belvedere. Warum planen Sie nicht gleich eine Dependance in Seoul statt in Salzburg?

Vielleicht ja als nächstes! Die Dependance in Salzburg, von der ich sehr begeistert bin, verdankt sich allerdings auch der gewissen Gunst der Umstände, dass es gerade möglich ist, die Räume in der Neuen Residenz in Salzburg museal zu erweitern. Das ist ein Projekt des Landes, hoffentlich in Kooperation mit dem Bund, aber das ist bis heute noch offen. Wir haben unsere Bedarfe jedenfalls einmal angemeldet: 1500 Quadratmeter, „shared services“, aber trotzdem wären es zwei getrennte Häuser. Es ist vertraglich noch nicht ausgestaltet, aber ich bin ganz zuversichtlich nach Gesprächen mit Landeshauptmann Haslauer sowieso und nach positiven Signalen von Kulturminister Blümel.

Was würden Sie in Salzburg zeigen?

Makart zum Beispiel, der ist Salzburger und wir haben große Werke von ihm, die wir nicht ausstellen können. Den „Kuss“ können wir nicht nach Salzburg schicken. Aber Klimt-Landschaften, das liegt mit dem Salzkammergut ja nahe.

Welche Klimts werden 2019 zur Wien-um-1900-Ausstellung nach Japan gehen?

Als Hauptwerk die „Judith“, die „Dame in Weiß“, eine Landschaft, unsere Kopie des Beethoven-Frieses. Es sind insgesamt an die zehn Klimts, aber nicht alle aus der Belvedere-Sammlung. Wir haben die Ausstellung kuratiert, also Markus Fellinger.

Wie viel bringt so eine Ausstellung?

Eine Zahl im höheren sechsstelligen Bereich.

Haben Sie durch das Engagement von Ex-Belvedere-Direktorin Agnes Husslein im Leopold Museum Sponsoren verloren? Beim Freundesverein etwa?

Ich spüre das nicht. Der Cercle war zwar deutlich dezimiert, aber wir bauen ihn gerade wieder neu auf. Das ist vor allem ein Imageträger, den ich nicht gering schätzen möchte, und es ist ganz wichtig, eine Gruppe ideell um ein Haus zu scharen. Finanziell ist das aber nicht der Burner gemessen am Gesamtvolumen unseres Umsatzes. Wir erschließen auch neue Sponsoren, allein unser Fundraising Dinner, diesmal im Belvedere 21, war ein Riesenerfolg.

Sie möchten einiges ändern beim Belvedere 21, das Cafe ins Erdgeschoß verlegen etwa. Es wird sogar eine eigene Kuratorin für die Außenwirkung geben.

Ja, die gibt es schon, für Community Outreach, es geht um die Vernetzung mit dem neu entstehenden Stadtvierte, darum, was wir für die lokale Bevölkerung tun können. Das Untergeschoß haben wir jetzt einmal frei gemacht, der steht offen für welchen Zweck auch immer.

Was ist eigentlich mit dem Boeckl-Atelier?

Es ist wie schon zuvor auf Anfrage geöffnet. Die Anfragen sind gering, aber es ist da. Ich wäre für jede brillante Idee dankbar.

Könnte man es wieder los werden?

Könnte man, aber das will ich nicht. Es ist eine Rarität, es gibt ja nicht so viele original erhaltene Künstler-Ateliers in Wien. Ein Publikumsrenner wird es nicht, es ist nun einmal nicht das Klimt-Atelier, es ist in einem Wohnhaus im obersten Stock und ohne Infrastruktur.

Hätten Sie sich einst, als es zur Diskussion stand, doch für die „Klimt-Villa“, das umgebaute Klimt-Atelier, entschieden?

Hätten, täten, das ist immer schwierig. Aber ich bedaure, es nicht zu haben.

Wie steht es mit den gegenseitigen Forderungen im Zusammenhang mit Ex-Direktorin Husslein, den nicht ausgezahlten Prämien bzw. den Regresszahlungen?

Die Gerichtsverhandlung beginnt im Jänner, aber man sagt mir, so etwas dauert ein bis zwei Jahre.

Zur Person

Stella Rollig, 1960 in Wien geboren, übernahm das Belvedere 2017 als Generaldirektorin von Agnes Husslein. Seither gibt es Streitigkeiten über Zahlungen von beiden Seiten, die ab Jänner, so Rollig, vor Gericht geklärt werden.

Vor dem Belvedere leitete Rollig zwölf Jahre lang das Lentos-Kunstmuseum in Linz. 1994 gründete sie als Bundeskuratorin das Wiener Depot.

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