Ai Weiwei verlässt wieder die Komfortzone

Augen auf mit Ai Weiwei
Augen auf mit Ai WeiweiAi Weiwei Studio
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Gerade in Qatar stellt er seine Installationen voll Flüchtlingsleid erstmals in den Golfstaaten aus. Er selbst hat die Emirate vor einem Jahr für ihre restriktive Flüchtlingspolitik kritisiert.

Man kann Ai Weiwei eines nicht vorwerfen, dass er es sich leicht macht. Er geht dorthin, wo es weh tut, als er noch in China lebte, waren das Erdbebenorte, in denen aufgrund von Baumängeln hunderte Schulkinder getötet wurden, seit er in Berlin lebt, sind es Flüchtlingslager. Und ja, er macht aus dem Unglück, das er dort sieht, Kunst, baut also auf deren Leid seinen Ruf auf, der ihn mittlerweile zu so etwas wie dem Flüchtlingssprecher unter den Gegenwartskünstlern macht, jedenfalls ist er der populärste, der sich damit beschäftigt. Fast ausschließlich mittlerweile. Das nützt seinem Ruhm. Bringt aber auch der Sache, den Betroffenen mehr Aufmerksamkeit. Am Ende ist es eine Win-Win-Situation.

Ähnlich ambivalent ist auch die etwas irritierende Ankündigung der ersten Ai-Weiwei-Ausstellung in den Golfstaaten zu bewerten, noch dazu in Qatar. Gerade in dem Land, das wegen angeblicher Unterstützung von Extremisten von seinen Nachbarn boykottiert wird. Gerade in den reichen Emiraten, die immer wieder in Kritik standen, keine syrischen Flüchtlinge aufzunehmen (dafür viel Geld für Camps in anderen Ländern schicken). Ai Weiwei hat diese Praxis vor einem Jahr selbst kritisiert, bei einem Vortrag in Qatar. Dass er dafür nicht gleich vor Ort Probleme bekam, ist wohl mit der Schwester des amtierenden Emirs zu erklären, die eine wichtige Rolle in der internationalen High-End-Kunstszene einnimmt, Scheicha Al Mayassa bint Hamad bin Khalifa Al Thani. Sie ist Sammlerin und leitet die Qatar Museums. Die Garage Gallery der Fire Station in Doha gehört zu diesem Konstrukt. Gezeigt wird hier u. a. „Laundromat“ (Waschsalon), eine Installation von 2016, die aus über 2000 sorgfältig aufgehängten, gewaschenen, sortierten Kleidungsstücken und Schuhen  besteht. All das sind die persönlichen Habseligkeiten, die die Flüchtlinge bei Schließung des Flüchtlingslagers in Idomeni in Nordgriechenland zurücklassen mussten, als sie in ein anderes Lager verlegt wurden.

Installation Laundromat
Installation LaundromatAi Weiwei Studio

Gezeigt wird auch Ai Weiweis Film „Idomeni“ (2016), sowie 17.000 Fotos, die er bei seinem Besuch dort mit seinem Smartphone gemacht hat.

Wird diese Ausstellung irgendetwas an dem Leid ändern? Nein. Im besten Falle schärft es das Bewusstsein der Besucher, die von 15. Mörz bis 1. Juni wohl in Massen kommen werden - denn Ai Weiwei ist auch hier ein Star. Und es gibt eindeutig weniger effektive Fürsprecher für humanitäre Hilfe, die noch dazu bereit sind, ihre Komfortzone zu verlassen. In westlichen Museen und Kunsthallen mag Ai Weiweis Refugee-Art ja mittlerweile einfach abgenickt werden. In Qatar hat sie noch eine Mission.

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