Serie „Carnival Row“: Die Faschisten im Land der Feen

(C) Amazon Prime
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„Carnival Row“ mischt Liebesdrama, Fantasy und Kriegs-Spektakel. Aber eigentlich erzählt die Serie davon, wie eine Gesellschaft kippt. Das klappt zum Teil.

Was hat Amazon Prime da nicht alles in die Schlacht um die Gunst der Zuschauer geworfen: Ein aufwendiges Setting, das an das England des 19. Jahrhunderts erinnert, in dem es zwar schon die Eisenbahn gibt, aber noch Kutschen und Hochräder durch die von Gaslampen beleuchteten Straßen fahren. Nicht minder aufwendige Kostüme, Masken und Animationen – immerhin haben wir es mit Feen, Trollen, Werwölfen, Kobolden und Mischwesen aus Mensch und Widder zu tun. Dazu noch Orlando Bloom und Cara Delevingne als Hauptdarsteller. Und einen Plot, der Liebesgeschichte, Fantasy-Spektakel und Historienfilm mischt.

Dieser Aufwand und diese Story sind in den ersten beiden Folgen von „Carnival Row“ vor allem eines: verwirrend. So viele Schauplätze, so viele verschiedene Wesen, so wunderliche Namen, solch eine Materialschlacht. Und so viele Geschichten, die zunächst nichts miteinander zu tun zu haben scheinen: Da flieht die Fee Vignette Stonemoss auf ein Schiff, um ihren Verfolgern zu entkommen. Ein Inspektor namens Rycroft „Philo“ Philostrate jagt den Mörder „Unseelie Jack“. Ein vornehmes Geschwisterpaar wird von Geldsorgen geplagt. Und ein Kanzler ist beunruhigt, weil sein Sohn, statt zu studieren, sich lieber in der übel beleumundeten Carnival Row herumtreibt.

Eine tote Fee? Ist der Polizei egal

Die losen Fäden werden erst langsam aufgenommen und miteinander verknüpft – und allmählich wird deutlich, dass die von René Echevarria und Travis Beacham entwickelte Serie versucht, mit den Mitteln von Fantasy vom Aufstieg des Faschismus zu erzählen: Vignette und Philo sind nämlich ein heimliches Liebespaar, eine Mesalliance, denn sie ist eine Fee, er ein Mensch, das darf nicht sein. In Kriegswirren werden sie getrennt, Vignette wird zum Flüchtling, muss einen Schlepper zahlen, der sie nach The Burgue bringt, in die Hauptstadt der Menschen, wo Feen eigentlich nicht erwünscht sind. Das Geschwisterpaar? Ihm gehört der Schlepperkahn. Der Kanzler? Wir wollen nicht spoilern, aber er ist einer von den Guten.

In The Burgue regiert der Rassenhass. Feen dürfen nicht fliegen, sonst werden sie per Pistolenschuss vom Himmel geholt. Die Polizei schaut weg, wenn ein „Krea“, also ein Nicht-Mensch, ermordet wird. Auf der Straße wütet der Mob – Politiker stacheln ihn noch auf und wissen dessen Zorn auf die Andersartigen zu nutzen. Gerade, dass sie nicht vorm „Großen Austausch“ warnen.

Eine Welt wie aus dem Märchen, in der politische Mechanismen wirken, die uns wohl vertraut sind. Klappt das? Nur zum Teil. Vielleicht, weil die Serie uns – im fremden Gewand – im Wesentlichen nur zeigt, was wir schon kennen? Manche Einfälle und manche Szenen überzeugen trotzdem: Da hängt etwa in Schlafsälen und öffentlichen Gebäuden immer wieder die Figur eines Gehenkten von der Decke. Wirkt gruselig. Aber warum eigentlich? Der „Märtyrer“ unterscheidet sich doch nicht so sehr von unserem Christus am Kreuz? Spannend auch, dass die Hautfarbe in dieser Gesellschaft keine Rolle mehr zu spielen scheint. Und entzückend ist die sich zart entspinnende Liebesgeschichte zwischen einem Mauerblümchen der Oberschicht und dem neureichen Nachbarn, der ein Puck ist, also eine Mischung aus Mensch und Widder. Diese Figur ist vermutlich die spannendste der Serie: Ein Aufsteiger, misstrauisch und neugierig zugleich, mit einem ambivalenten Verhältnis sowohl zu seinen eigenen Leuten als auch zu den Menschen.

Ein bisschen mehr Widersprüchlichkeit hätte auch den anderen Figuren gut getan.

„Carnival Row“, seit 30. August auf Amazon Prime, acht Folgen à 60 Minuten. Ab 22. November auf Deutsch verfügbar, derzeit auf Englisch mit Untertiteln.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.09.2019)

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