Vatikan

Erzbischof Gänswein wollte Buchveröffentlichung stoppen

Nicht einmal Konzernchefin Marina Berlusconi konnte die Herausgabe des Buches des ehemaligen Privatsekretärs von Papst Benedikt verhindern.

Erzbischof Georg Gänswein, Privatsekretär des am 31. Dezember verstorbenen emeritierten Papstes Benedikt XVI., hat offenbar versucht, die schnelle Veröffentlichung des Buchs "Nient'altro che la verità" (Nichts als die Wahrheit) über sein Leben an der Seite des deutschen Pontifex zu stoppen. Dabei sei er bis an die Spitze des Buchverlags Mondadori im Besitz der Familie von Expremier Silvio Berlusconi vorgedrungen, berichtete die deutsche Wochenzeitung "Die Tagespost".

Mondadori wird von Marina Berlusconi, der ältesten Tochter des Expremiers, geleitet, und ist der Mutterkonzern des italienischen Verlags Piemme, der am gestrigen Donnerstag Gänsweins Buch veröffentlicht hat. Weder Berlusconis Tochter noch Co-Autor Saverio Gaeta konnten demnach die Veröffentlichung des Buches verhindern. Das Buch steckte laut "Tagespost" schon zu tief in den Vertriebskanälen.

Piemme hatte einzelne Kapitel aus dem Buch unmittelbar nach dem Tod Benedikts an ausgewählte Journalisten mit der Bitte verteilt, schon im Voraus über die Inhalte zu berichten. Die Aufzeichnungen des Privatsekretärs enthielten einige Details über das Verhältnis zwischen Papst Franziskus und dem Emeritus. In Kommentaren wurden diese als Angriffe gegen Franziskus gedeutet.

Buch soll auch auf Deutsch erscheinen

Vergangene Woche wurde ein offener Brief mehrerer italienischer Priester veröffentlicht, die Gänswein aufforderten, das Buch zu stoppen. Angriffe auf Franziskus würden der "Einheit der Kirche großen Schaden zufügen", argumentierte der Verfasser, Alberto Varinelli, laut Medienangaben vom Sonntag. "Wie Papst Benedikt es bei seinem Rücktritt getan hat, prüfen auch Sie sorgfältig und wiederholt Ihr Gewissen vor Gott, und wenn sich herausstellt, dass dieser Text eine Ansammlung von Ressentiments und Angriffen ist, dann stellen Sie sofort den Druck und den Handel des Buches ein. Dies wäre eine noble Geste eines Bischofs, der auf der Seite der Wahrheit steht und nicht der Versuchung des Grolls nachgibt."

Das Buch soll auf Deutsch in den nächsten Monaten beim Herder Verlag erscheinen, der zuvor schon zahlreiche Werke von Papst Benedikt herausgegeben hatte. "Wir hoffen, es wird Ende Februar sein", berichtete Herder-Geschäftsführer Simon Biallowons am Donnerstag dem Kölner "Domradio". "Oberstes Gebot ist Präzision und Qualität. Wir übersetzen. Wir freuen uns sehr über die Ehre, dass wir dieses Buch herausgeben dürfen."

Papst Franziskus empfing Erzbischof Gänswein am Montag persönlich. Gegenstand des Gesprächs könnte die berufliche Zukunft des 66-Jährigen gewesen sein. Gänswein wurde nach eigenen Angaben von Benedikt XVI. als Testamentsvollstrecker eingesetzt.

(APA)

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