Beste Konvention: „Einen Jux will er sich machen“

(C) Schauspielhaus Graz/ Lupi Spuma
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Schauspielhaus Graz. Mit großem Ensemble gelingt Dominique Schnizer eine zügige, treffsichere Nestroy-Posse.

Am Ende wird geheiratet, wie es sich gutbürgerlich gehört, und zwar gleich dreifach: Das Mündel kriegt den Liebhaber, den der Onkel anfangs aus seinem Haus geworfen hat. Dieser Vormund, ein Gewürzkrämer, kriegt die Modewarenhändlerin, und sein Kommis, dem zudem der Aufstieg zum Teilhaber des Geschäfts versprochen wird, eine weitere Witwe. Doch ehe das passiert, gibt es in der Posse „Einen Jux will er sich machen“ heftige Turbulenzen. Die Liebenden müssen von der kleinen in die große Stadt fahren, um sich in einer Serie von Verkleidungen, Verwechslungen und anderen Abenteuern zu bewähren. Die Konvention besiegt jeden Ausbruchsversuch.

Oberflächlich gesehen geht in dem 1842 uraufgeführten, extrem erfolgreichen Lustspiel von Johann Nepomuk Nestroy alles gut aus. Doch hinter der Fassade ahnt man Revolution. Der Text ist, wenn man genau hinhört, eine Abrechnung mit dem Spießertum im Vormärz. Happy Ending? Tief drinnen weiß man doch durch diesen genialen Wiener Dichter, dass eine Komödie nur deshalb möglich ist, weil das Geschehen kurz vor der nächsten Tragödie abgebrochen wird.

Giftige Melange von Stefanie Sargnagel

Dominique Schnizer, 1980 in Graz geboren, hat ebendort im Schauspielhaus zum zweiten Mal bewiesen, dass er mit Nestroys Vielschichtigkeit hervorragend umgehen kann. 2017 entzückte er mit einem zügig und zugleich behutsam inszenierten „Talisman“. Am Freitag gelang ihm das erneut bei der Premiere vom „Jux“. Die Aufführung ist im besten klassischen Sinn konventionell, das Ensemble, zum Großteil identisch mit dem von zuvor, bietet eine Fülle origineller Charaktere. Zu Beginn waren einige etwas nervös, da haperte es etwas bei der Verständlichkeit und der Abstimmung, bald aber steigerte sich der Abend zu furiosem Zusammenspiel. Bühne und Kostüme (Christin Treunert) wirken bieder, der Aufbau an Zimmern mit Treppen, Türen, Fenstern und an Gebäudefronten ist jedoch raffiniert funktional. Auch das Musikertrio unter der Leitung Bernhard Neumaiers verleiht den zweieinhalb Stunden (inklusive Pause) gehörigen Schwung (nach Motiven von Adolf Müller senior). Die Couplets passen ebenfalls dazu. Beim „Talisman“ hatte Ferdinand Schmalz gedichtet, diesmal war Stefanie Sargnagel dran. Man hört eine giftige Melange vertrauter Nestroy-Strophen und aktueller Ergänzungen – teils ordinär, teils hart regierungskritisch und öfters sogar richtig treffsicher.

Travestie einer alten Jungfer

Die Couplets singt Franz Solar, ein Meister der Melancholie. Er glänzt als braver Kommis Weinberl, der sich einen Jux machen will, um am Ende restlos angepasst zu sein. Dem Lehrjungen Christopherl verleiht Clemens Maria Riegler passende Aufsässigkeit. Werner Strenger spielt lautstark den Gewürzkrämer Zangler, Maximiliane Haß sein Mündel. Diese junge Dame nimmt sich, was sie braucht, sogar entschlossener als ihr schmachtender August (Mathias Lodd). Auf den Punkt bringt Rudi Widerhofer die Traumrolle des einfältigen neuen Hausknechts Melchior: „klassisch!“. Anna Szandtner und Evamaria Salcher überzeugen als heiratswillige ältere Damen. Die beste Frauenrolle aber bietet Franz Xaver Zach als alte Jungfer – Nestroy pur als Travestie.

Die nächsten Termine im Schauspielhaus Graz : 19., 21., 31. Dezember 2018, 5., 8., 12., 18., 23., 30. Jänner 2019.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2018)

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