Als Amphitryon heimkehrt, ist seine Gattin bereits schwanger


Landestheater Linz. Peter Wittenberg reduzierte Kleists Lustspiel auf das Wesentliche – den radikalen Zweifel in diesem Text. Klaus Müller-Beck glänzte als bodenständiger Diener Sosias, Angela Waidmann überzeugte als Alkmene, die sich zwischen einem Gott und ihrem Mann entscheiden soll.

Trostlos ist die Nacht, in der sich eine merkwürdige Gestalt auf die Suche nach dem Haus ihres Herrn macht, um dessen Gattin vom langen, siegreichen Feldzug der Thebaner über die Athener zu berichten: Ein glatzköpfiger Mann mit gewaltigem Bauch, in Tarnhose und mit Militärpullover, stolpert über die Bühne des Linzer Landestheaters. In der Hand hält er einen Scheinwerfer. Nebel wabert umher, vom Boden wirbeln verkohlte kleine Papierfetzen auf. Schließlich kommt dieser Sosias (Klaus Müller-Beck), der Diener des Feldherrn Amphitryon (Alexander Julian Meile), an eine hohe, schwarze Wand mit schmuckloser Tür.

An diesem drehbaren Teil, auf das Florian Parbs das Bühnenbild für Heinrich von Kleists Lustspiel „Amphitryon“ reduziert hat, erkennt Sosias das Haus seines Herrn. Dort kann er aber nicht hinein, um den Sieg zu melden. Denn die Götter haben sich diese Nacht einen Spaß gemacht: Jupiter (Christian Higer) hat Amphitryons Gestalt angenommen, um dessen Frau, Alkmene (Angela Waidmann), zu beglücken. Damit dies nicht gestört wird, steht Merkur (Alexander Hetterle) Schmiere. Er hat sich in einen zweiten Sosias verwandelt. Das stürzt den richtigen in eine Krise. Was ist Identität? Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Derartige Fragen ließen Kleist offenbar verzweifeln, als er mit Immanuel Kants Philosophie konfrontiert wurde.

Jupiters golden bestäubtes Brusthaar

Man stelle sich den Dichter als Sosias vor, der von Merkur Prügel bezieht und auch von seinem Herrn, der ihm die unglaubliche Geschichte lang nicht abnimmt, mit härtesten Strafen bedroht wird. Selbst ein so bodenständiger Charakter wie der verfressene, trinkfreudige, das Gewaltsame klug vermeidende Diener, kann irre werden, wenn haltlos libidinöse Götter den Weltenlauf für ein bisschen Lust manipulieren. Und sogar die liebende Ehefrau verliert jede Sicherheit, wenn der Göttervater sie als Spielzeug seiner Eitelkeit missbraucht. Alkmene ist das tragische Element in dieser 1807 veröffentlichten, aber erst 1899 in Berlin uraufgeführten Komödie. Kleist betont die Figur stärker als sein Vorbild Molière und der antike Stoff.

In Peter Wittenbergs Inszenierung, die am Samstag in Linz Premiere hatte, wird Alkmene viel Raum gegeben. Waidmann verleiht ihrer Rolle das rechte Maß an Sinnlichkeit und Intensität. Die Männer, die sich um ihre Gunst bemühen, dienen als lächerlicher Kontrast, mit Meile als trotzigem Feldherrn, der die Gefühle nie im Griff hat, und Higer als eitlem, affektiert sprechenden Jupiter. Der Höhepunkt der Travestie: Er entblößt den Oberkörper. Das Brusthaar ist golden bestäubt. So also beweist sich ein Gott! Dessen Geschenk an Theben: Alkmene bekommt von ihm einen Sohn, den Heroen Herakles. Schon steht sie hochschwanger in hautengem rosa Outfit staunend da. Sie entscheidet sich, vor die Wahl gestellt, nicht für den eigenen, sondern für den falschen Mann, quittiert das am Schluss mit einem „Ach!“. Kein Wunder, dass nun die Wand, die Theben darstellt, umfällt: Alles nur Trug.

Mehr Energie als das hohe hat das lustige Trio. Müller-Beck glänzt als Sosias, er setzt die Pointen präzis, sowohl im großen Solo zu Beginn als auch in den Szenen mit Jenny Weichert als Gemahlin Charis (ein billiges wasserstoffblondes Klischee) und mit Hetterle als sadistischem Schläger Merkur. Bei diesem Sosias entfaltet die schwierige, gebundene Sprache Kleists voll ihre Wirkung. Das ist bei den Dialogen der anderen nicht immer so. Einige Längen und kleinere sprechtechnische Unsicherheiten gibt es doch zu bemängeln in den mehr als zwei Stunden. Die Stärke der Inszenierung aber liegt in der Reduktion auf das Wesentliche – auf den komplexen Text, der von radikalem Zweifel durchsetzt ist. Bei Kleist scheint nämlich nicht einmal Jupiter krisenfest zu sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.01.2019)

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