Kammerspiele

Jederzeit bereit ist heutzutage das Zornteuferl

Das passt in die Kammerspiele – und ist sogar besser als der Film: „Der Vorname“ von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière. Michael Dangl begeistert als Immobilienmakler mit krassem Humor.

„Es gibt eine gute und eine schlechte Nachricht. Es ist ein Bub, aber er ist tot.“ Immobilienmakler Vincent Larchets befremdliche Auffassung von dem, was lustig ist, wird sich an diesem Abend in den Kammerspielen noch öfter bemerkbar machen. „Der Vorname“ von Matthieu Delaporte und Alexandre de la Patellière läuft seit Jahren landauf, landab und ist nun auch in Wien angekommen. Der Berliner Folke Braband hat inszeniert.

Vincent ist ein Spätberufener für die Ehe, seine schöne und emanzipierte Frau Anna erwartet ein Kind, was die zwei Freigeister leicht überfordert. Sie hat angefangen zu rauchen, er schwankt zwischen Zärtlichkeit und Fluchtbewegungen: Vincent ist blitzgescheit, aber auch ein Narziss mit Mutterkomplex. Michael Dangl spielt diesen ewigen Buben mit Bravour. Michaela Klamminger als Anna ist entsetzt, als sie das wahre Gesicht ihres charmanten Partners zu sehen bekommt – beim Diner alter Freunde in einem schmucken Pariser Stadthaus (Bühnenbild: Tom Presting).


Der Clou der Grande Dame. Folke Braband hat dem „Vornamen“ wieder seine leichtfüßige französische Note zurückgegeben. Die sehr deutsche Verfilmung von Sönke Wortmann (mit Caroline Peters) ist zwar auch gelungen, aber sie erschüttert ein wenig, zeigt sie doch, wie hasserfüllt Menschen aufeinander losgehen können, die eng miteinander verbunden sind. Was für ein sozialer Fundamentalismus! Das Zornteuferl droht jederzeit hervorzustürzen und alles kaputt zu schlagen. Und dann geht man auseinander, als wäre nichts geschehen. „Der Vorname“ entlarvt die Wutbürger, auch in den Kammerspielen. Aber die meiste Zeit kann man sich herrlich amüsieren. Etwa über die ehelichen Rituale des pedantischen Hochschulprofessors und Montaigne-Spezialisten Pierre (Marcus Bluhm) und seiner Frau Elisabeth. Sie serviert marokkanisches Essen, das ob des Streites über den Vornamen Adolf keiner so recht zu würdigen weiß: Susa Meyer hat ihren großen Auftritt spät, dafür fällt er umso denkwürdiger aus: eine Grande Dame trotz Schürze, köstlich.

Und Musiker Claude (Oliver Rosskopf) bemüht sich zu beschwichtigen, bis auch er mit seinen News herausrückt. Dann geht es erst recht hoch her. (Das Stück ist lose verknüpft mit der Lovestory von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und seiner Frau Brigitte). Das Tempo der Dialoge hätte man nicht gar so hoch drehen müssen. Insgesamt aber: heiter, bitter, aktuell und sehenswert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.10.2019)

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