Günter Paal: "Ich hab nicht einmal studiert"

Guenter Paal nicht einmal
Guenter Paal nicht einmal(c) Michaela Bruckberger
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Günther Paal alias Gunkl hat in seinem Kabarett nie seine Liebe zur Naturwissenschaft und Philosophie verleugnet. Mit dem Physiker Harald Lesch kann er diese Leidenschaft ausleben. Ein "Presse"-Interview.

Die Älteren können sich noch an Sie als Kellner im Café Stein erinnern. Haben Kabarettisten und Kellner etwas gemeinsam?

Günther Paal: Ja, sie agieren beide in einer klar abgegrenzten Dichotomie. Es gibt zwei Mannschaften. In einer ist der Kellner oder der Kabarettist. Es gibt auch eine räumlich klare Trennung: die Budel oder die Bühnenkante.

Aber der Kellner geht öfter ins Publikum.

Ja, er muss aber nicht. Und wenn er nicht reden will, nimmt er sich ein Glas und putzt es, dreht sich um und redet nicht mit dem Publikum.

Gibt es auch ein Naheverhältnis zwischen Physikern und Kabarettisten?

Ja, es gibt Kabarett, das gern den Dingen auf den Grund geht. Mich treibt immer die Frage um: Wie ist es denn wirklich? Und wie geht's mir dabei?

Schließt die Naturwissenschaft nicht die Frage „Wie geht es mir?“ aus?

Ja, und das ist mir sehr sympathisch. Aber um diese Frage kommen wir ohnehin nicht herum. Weil das ist es, was uns Menschen wesentlich ausmacht: dass es uns geht, im Gegensatz zu Mikroben oder Gewindenormen. Denen geht's nicht, die sind halt. Uns Menschen geht's irgendwie.

Und wie geht es Ihnen mit der Physik? Was fasziniert Sie daran?

Dass man sich auskennt. Dass man weiß, wie es ist. Dass Universalien so knallhart vorliegen. Es wird dir nichts geschenkt. Last mal Lastarm ist Kraft mal Kraftarm. Das gilt.

Fasziniert Sie auch die Quantenmechanik?

Ja. Es ist eine „humbling experience“ draufzukommen, dass sich die Welt, wie sie wirklich ist, dem, was wir uns vorstellen können, so radikal entzieht. Das rückt den Menschen als Welterkenner zurecht. Die Welt ist nicht für uns gemacht. Mich ärgert auch, wenn Leute sagen: Die Evolution hat sich etwas einfallen lassen. Haha. Da werden mit der Grammatik des katholisierten Menschen Abläufe betrachtet. Die Evolution ist etwas, was passiert. Die denkt sich überhaupt nichts. Es gibt keinen Plan.

Mit dem Physiker Harald Lesch, mit dem Sie in München bereits aufgetreten sind, werden Sie nun in Wien auch Pseudowissenschaften besprechen: Was halten Sie von Akupunktur?

Ich war selbst einmal mit einer Verspannung beim Akupunkteur. Und hab mir gedacht: Ich glaub das nicht. Vollkommen placebokontraindiziert. Aber es hat geholfen. Ob das Meridiane und Energiefelder sind... Man darf das halt nicht mit dem physikalischen Energiebegriff vermischen. Die haben einfach einen anderen Begriff von Energie. Physikalisch gesehen hat eine tote Robbe auf der Bühne nach E=mc2 mehr Energie als der Iggy Pop: 2,5 Tonnen stinkendes Fett gegen 42 Kilo. Aber niemand würde nach einem Abend mit Iggy Pop und einer toten Robbe sagen: Na ja, da war schon mehr Energie bei der toten Robbe...

Und Homöopathie?

Man weiß, dass Placebos besser wirken, wenn man den Leuten sagt, dass sie teurer sind. Physikalisch ist es ein Blödsinn: die Information, die im Wasser gespeichert ist! In Wasser sind keine Informationen. Vielleicht ist was drin. In den Bach pieselt das Reh. Aber eine Botschaft?

Wir haben also einen unerschütterlichen Rationalisten vor uns?

Ja.

Suchen wir einmal nach einfachen Antworten: Theater oder Film?

Film. Ich hab so viel Theater gesehen, wo man sagt: Bitte, Freunde, geht's weg.

Welle oder Teilchen?

Beides. Aber beides nicht so, wie wir das verstehen.

Markt oder Staat?

Staat.

Warum?

Da muss ich ein bisserl ausholen. Es gibt einen Fragenkatalog für forensische Psychiatrie, mit dem man Soziopathen festmachen kann. Mit 100 Fragen kann man feststellen, ob einem Menschen das ganz primordiale „Ich weiß, wie es dir geht, und ich schau, dass es dir nicht schlecht geht“ fehlt. Dieser Mensch hat keine Scham, keine Angst und kein Mitgefühl. Jetzt hat man unter Führungskräften großer Konzerne eine Umfrage mit diesen Fragen gemacht. Ergebnis: 80 Prozent derer, die das Sagen haben auf dem Markt, sind zumindest hochgradig gefährdet, wenn nicht mit goldener Clubkarte bei den Soziopathen dabei.

Könnte das bei Politikern nicht auch so sein?

Die kann man abwählen. Und zumindest nominell hat der Staat die Verpflichtung, drauf zu schauen, dass es mir gut geht.

Kaffee oder Tee?

Kaffee. Aber ich weiß: Der Wirkstoff ist derselbe.

Studium oder Autodidaktentum?

In meiner Biografie: Autodidakt. Den Doktortitel hat mir der Dorfer umgehängt. Ich hab nicht einmal studiert und würde es nicht wagen, mich selbst als Doktor zu bezeichnen.

Allein auf der Bühne oder in der Gruppe?

Allein.

Ist es nicht schön, wenn wer dagegenredet?

Auf der Bühne wird nicht dagegengeredet! Auf der Bühne hat nichts Unvorhergesehenes zu passieren. Auf der Bühne hat man die Kontrolle über die Abläufe zu haben. Man beobachtet ein Ritual, und Gegenstand und Zentrum des Rituals ist, dass nichts passiert, wo keiner mehr weiß, wie's weitergeht.

Da sind wir wieder beim Anfang: Der Kellner muss ja auch aufs Ritual aufpassen. Haben Sie nicht auch das Gefühl, dass die Kellner heutzutage zu wenig streng sind?

Ich hab es schon gern, wenn ein Kellner freundlich ist, aber ich hab es auch gern, wenn er in Strukturen agiert. Ich hab gern, wenn es einen gibt, der die Regeln des Hauses kennt und auf deren Einhaltung beharrt. Das kann man als streng deuten. Wenn es zehn Uhr ist und er muss den Garten zusperren, muss er sich nicht bei mir entschuldigen. Er ist der Verwalter dieses ideellen und geometrischen Raums. Da kann ich nicht sagen: Ich will sitzen bleiben, ich bin ein freier Mensch. Da muss er antworten: Hier bist du kein freier Mensch, sondern in Regeln eingebunden, und Regeln sind gut.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.01.2011)

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