Serie "Seven Seconds": Ein Thriller über die am Rassismus kränkelnde US-Gesellschaft

Cara Howe / Netflix
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Die Netflix-Serie "Seven Seconds" rollt mit psychologischem Feingefühl auf, was passiert, nachdem ein weißer Polizist einen schwarzen Jungen überfahren hat. Eine facettenreiche Geschichte über Weiß, Schwarz und Grauschattierungen.

Es ist eine Unachtsamkeit, die ein Drama auslöst: Weil Peter Jablonski - ein Weißer und Polizist - in Sorge um seine schwangere Frau völlig aufgewühlt in Richtung Krankenhaus rast, übersieht er einen schwarzen Jungen auf einem Fahrrad und stößt ihn nieder. Wie in Trance erlebt er, was danach passiert: Wie seine Polizisten-Kollegen verräterische Teile seines Fahrzeugs wegbringen, wie sie das Opfer inspizieren und sein Vorgesetzer einen Satz sagt, den er in den folgenden Episoden mehrmals betonen wird: "Ich regle das!". Jablonski gehorcht, meldet den Unfall nicht - und löst damit eine Kettenreaktion aus . . .

Veena Sud ("The Killing") hat mit "Seven Seconds" wieder eine packende Serie entwickelt, die mehr ist als der übliche Mord- und Gerichtssaal-Thriller. "Seven Seconds" ist eine genau gezeichnete Charakterstudie, die nicht nur die Soziologie und Psyche der handelnden Personen seziert, sondern auch die nach wie vor an ihrem (Polizei-)Rassismus und sozialen Gegensätzen kränkelnde US-amerikanische Gesellschaft, in der sich brave Bürger in Doppelschichten kaputt arbeiten, um sich die Intensivstation leisten zu können, und in der ein Tötungsdelikt, begangen von einem Weißen, vor Gericht weniger zählt als der Taschendiebstahl eines Afro-Amerikaners. Doch Sud beschreibt in ihrer facettenreichen Geschichte auch die Schattierungen dazwischen: Von guten schwarzen Jungs, die trotzdem zu einer Gang gehören wollen; von harten Typen mit Gewissensbissen; von der tiefen Sehnsucht harmloser Leute nach tödlicher Rache...

"Seven Seconds" ist grandios besetzt: Clare-Hope Ashitey mäandert als alkoholkranke Staatsanwältin K.J. Harper zwischen Kater- und Aufbruchstimmung. Michael Mosley ("Scrubs") ist als Kaugummi kauender Joe "Fish" Rinaldi ihr Stachel im Fleisch: Er hält sie mit Galgenhumor auf Trab. Feinfühlig zeigt Regina King ("American Crime") als Mutter des Opfers, wie eine gläubige, vernünftige Frau durch den Leidensdruck zunehmend entgleist. Viel Genugtuung darf sie sich nicht erwarten - aber eines wird am Ende klar: Die Polizisten, die ihrem Sohn das angetan haben, können ihres Lebens nicht mehr froh werden. Denn mittendrin in ihrer dramatischen Geschichte säht Veena Sud ein weiteres verbrecherisches Samenkorn, das hoffentlich in einer zweiten Staffel aufgehen wird.

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