„Narcos: Mexiko“: Gibt es keine ehrlichen Mexikaner?

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1(c) Carlos Somonte/Netflix (Carlos Somonte/Netflix)
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Die Netflix-Serie hat den Schauplatz Kolumbien gegen Mexiko eingetauscht. An der Botschaft ändert sich nichts: Der „War on Drugs“ ist längst verloren.

Anmerkung: Weniger Spoiler als ein Wikipedia-Eintrag über den Drogenhandel in Mexiko

In der ersten und zweiten Staffel von „Narcos“ jagten Drogenfahnder in Kolumbien Pablo Escobar, in der dritten demontierten sie das Cali-Kartell. Die vierte Staffel hat den Schauplatz nun verlegt: Statt um den Drogenhandel in Südamerika geht es nun um Mexiko, dem direkten Nachbarn der USA. Miguel Ángel Félix Gallardo (Diego Luna) baut von Guadalajara aus mit Marihuana ein Imperium auf, DEA-Agent Enrique 'Kiki' Camarena (Michael Peña) will ihn zur Strecke bringen.

In Staffel eins der herausragenden Serie ging es recht flott. Da war Pablo Escobar (Wagner Moura, toll) schon nach vierzig Minuten Kartell-Chef. „Narcos: Mexiko“ ist anders. Erst mitten in der ersten Staffel entscheidet sich Gallardo, neben Marihuana auch Kokain über die mexikanische Grenze auf den lukrativen amerikanischen Markt zu schmuggeln. Bin dahin verstehen nicht nur die amerikanischen Behörden nicht, warum er gefährlich sein soll. Was will man mit diesem im Vergleich harmlos wirkenden Hasch-Dealer? Weiter im Süden gibt es größere Monster zu fangen.

Das heißt, es geht alles ein bisschen zäh in Mexiko, was mitunter an der Länge der Folgen liegt (fast immer eine Stunde oder drüber). Und an den Protagonisten: Gallardo ist eine schwer greifbare Figur – verglichen mit dem verrückt-genialisch-diabolischen Escobar und den machthungrigen und cleveren Orejuela-Brüdern aus Cali. Schauspieler Diego Luna, Star aus „Rogue One: A Star Wars Story“, scheitert daran, Gallardo Fleisch zu geben. Interessanter als der Oberboss sind seine Partner: Rafael Caro Quintero (Tenoch Huerta), ein „Künstler“ unter den Marihuana-Züchtern, und der sture und bauernschlaue, versoffene Brutalo-Cowboy Don Neto (Joaquín Cosio).

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1(c) Carlos Somonte/Netflix (Carlos Somonte/Netflix)

An der Zähigkeit ist aber vor allem Bild von Mexiko schuld, das die Serie zeichnet: Alle sind korrupt. In Escobars Kolumbien gab es einen Präsidenten und einen Armeegeneral, die ihr Land wirklich zum Besseren verändern wollten. Nicht so in diesem Mexiko. Die Polizei? Gekauft. Die Politik? Gekauft. Die von den USA gesponserten Anti-Drogen-Programme? Gekauft. Der Nachrichtendienst DFS? Offenbar nur dafür gegündet, dass seine Mitarbeiter die Hand aufhalten.

Die paar DEA-Agenten, allen voran natürlich Camarena, kämpfen gegen Windmühlen. Mehr als einmal müssen sie zuschauen, wie ein Verdächtiger nicht nur entkommt – der Drogendealer wird von der mexikanischen Polizei sogar noch hofiert. So gerät „Narcos: Mexiko“ immer mehr in Schieflage: Hier die guten Amerikaner, allein, aber unnachgiebig im Feindesland. Dort die durchtriebenen und skrupellosen Mexikaner, die ausschließlich an ihrem eigenen Vorteil interessiert sind.

Gallardo kauft und verkauft - egal, ob Ware oder Menschen

Als Zuschauer ist das frustrierend. Noch mehr, wenn die Dealer nicht einmal besonders intelligent oder geschickt sind. Wie Escobar seine Gegner ausspielte, das war wie Schach – ein Zug, ein Gegenzug, und die Falle schnappte zu. Bandenchef Gallardo hingegen kauft und verkauft – ob Ware oder Menschen, ist ihm egal.

Kiki Camarena mit Ehefrau Mika (Alyssa Diaz)
Kiki Camarena mit Ehefrau Mika (Alyssa Diaz) (c) Carlos Somonte/Netflix (Carlos Somonte/Netflix)

Von seinen Gegenspielern stechen neben Camarena, von Michael Peña intensiv verkörpert, vor allem dessen Chef hervor – James Kuykendall (Matt Letscher) gewinnt im Laufe der zehn Folgen deutlich an Profil. Die Frauen spielen zwar nur eine Nebenrolle, aber die stark: insbesondere Kiki Camarenas Ehefrau Mika (Alyssa Diaz) und die Drogendeal-Einfädlerin Isabella Bautista (Teresa Ruiz). Visuell ist die Serie mit schrägen Perspektiven und langen Kamerfahrten ehrgeizig.

Eine relevante Serie

Trotz seiner Schwächen ist „Narcos: Mexiko“ relevant. Denn dass die Helden im Sumpf von Mexiko (beinahe) untergehen, passt zur Botschaft, die man herauslesen kann. Immer dann, wenn reale Aufnahmen aneinandermontiert werden, die Toten sich an Tote reihen, wird deutlich: Der „War on Drugs“ ist längst verloren. Egal, ob die Männer an der Spitze der Kartelle Escobar, Orejuela oder Gallardo heißen, nichts hält diesen Strom an Rauschmitteln auf. Keine Kriegsrhetorik, keine Waffen, keine Mauern. Solange der Drogenhandel die Chance auf ein besseres Leben verspricht, er auch für den „kleinen Mann“ Vorteile bringt und solange es Konsumenten gibt, wird sich daran nichts ändern. Genießen kann man eine Serie mit dieser Message freilich nicht.


„Narcos: Mexiko“, auf Netflix. Staffel zwei ist in Planung. Der Trailer ist absichtlich nicht drin - der verrät nämlich zu viel.

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