„Black Earth Rising“: Wann ist eine Serie zu anstrengend?

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Die neue Netflix-Serie handelt von der Aufarbeitung des Völkermordes in Ruanda. Ein großartig gespielter und sehr komplexer politischer Thriller.

In ihre Haut will man wahrlich nicht schlüpfen: Nicht genug, dass Kate Ashby (gespielt von Michaela Coel) als Kind den Genozid in Ruanda überlebte und von Depressionen zerfressen wird. Sie verliert auch noch ihre Adoptivmutter, eine geniale Anklägerin am Internationalen Gerichtshof durch einen Mordanschlag. Der einzige Mensch, der ihr vorerst bleibt, ist ein Kollege der Mutter, ein Anwalt und einsamer Säufer (verkörpert von John Goodman). Gemeinsam mit ihm versucht sie, Gerechtigkeit zu erzwingen, für sich und Ruanda. Sie will Täter von 1994 vor den Gerichtshof zu bringen und findet sich in einem konspirativen Chaos aus Politik, Blut und Schuld wieder.

Hugo Blick, Autor und Regisseur der fiktionalen Serie, ist unbarmherzig: Er verlangt höchste Konzentration, wenn er der komplexen Handlung immer wieder neue Twists gibt. Und den Zuschauer mit der Frage allein lässt, wer nun auf welcher Seite steht – und ob es überhaupt Seiten gibt in den kalten, glatten Räumen von Den Haag oder auf den rotsandigen Straßen von Ruanda. Klar ist: Dieser politische Thriller, eine Kooperation von Netflix und BBC, ist anspruchsvoll. Und manchmal auch anstrengend; etwa wenn der Serienschöpfer Hugo Blick als skrupelloser Rechtsanwalt auftaucht, Unglück verbreitet, sich in einen Mistkübel übergibt und dann von einem kongolesischen Adeligen ermordet wird.

Beide leiden. Michaela Coel und John Goodman dürften noch den einen oder anderen Preis für ihre Rollen bekommen.
Beide leiden. Michaela Coel und John Goodman dürften noch den einen oder anderen Preis für ihre Rollen bekommen.(c) Des Wlilie/BBC/Netflix

Wann ist eine Serie zu anstrengend? Trotz der Spannung und der herausragenden Schauspieler fragt man sich nach vier oder fünf Folgen, ob es denn nicht irgendwann ein wenig leichter wird, das Zuschauen. Sobald die Serie suggeriert, man sei gerade dem größten Schurken begegnet, wird dieser Eindruck wieder relativiert. Dann winselt der eine alte Mann bei Tea-Sandwiches und der andere erschießt sich visuell eindrucksvoll mit Afrika-Karte im Hintergrund. Und die Präsidentin von Ruanda ist deutlich facettenreicher, als es scheint.

Natürlich kann eine Serie, die einen Völkermord zum Thema hat und ihn ernst nimmt, keine Plattitüden liefern. Besonders, wenn es um einen Genozid geht, bei dem sich auch fernab von Afrika viele ihrer Verantwortung stellen müssen. Und trotzdem muss sich die Serie den Vorwurf der Hybris gefallen lassen: Es ist der aufgeklärte europäische Blick, der afrikanische Taten beurteilt und verurteilt.

Die Serie greift das selbst in der ersten Folge auf, als sich die Anklägerin Eve Ashby (Harriet Walter) in einem Uni-Hörsaal den Fragen von Studenten stellt. Und ein junger schwarzer Mann sie fragt, wieso sie die Gerechtigkeit nach Afrika importieren muss. "Neokolonialer Bullshit" und "westlicher Paternalismus" sei es, was am Internationalen Gerichtshof passiere. Bis zu einem gewissen Grad stimmt das auch für die Serie. Sie weiß es und stellt sich dem Vorwurf, beschäftigt sich also mit der eigenen Überheblichkeit. Das (und die großartige schauspielerische Leistung der Protagonisten) ist ihr jedenfalls anzurechnen.

„Black Earth Rising“, zu sehen auf Netflix. Acht Folgen, die jeweils etwa 40 Minuten dauern.

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