"The Punisher" und die Frage: Wie brutal darf Fernsehen sein?

"High Noon": Frank Castle macht die Straßen von New York (un-)sicher.
"High Noon": Frank Castle macht die Straßen von New York (un-)sicher. (c) Netflix (Cara Howe)
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Selten war Fernsehen so brutal und einfühlsam zugleich. Hauptdarsteller Jon Bernthal ringt der eindimensionale Comic-Figur viele unerwartete Seiten ab. Warum es dennoch gut ist, dass nach Staffel zwei der Netflix-Serie nun Schluss ist.

Der Punisher ist die unbarmherzigste Figur des an Superhelden reichen Marvel-Comic-Universums. Frank Castle ist allerdings kein Superheld, sondern eine eiskalte Tötungsmaschine. Sein Herz schlägt zwar noch, sein altes Ich ist aber mit dem Tod seiner Familie gestorben. Sein Weltbild ist einfach: Wer böse ist, soll sterben. Gerechtigkeit auf die amerikanische Art, wie auch Chris Kyle - ein bekennender Punisher-Fan und mit 160 bestätigten Tötungen der tödlichste Scharfschütze der US-Militärgeschichte (sein Leben wurde von Clint Eastwood als "American Sniper" verfilmt) - sie verstand. Abschlachten von Menschen und Foltern? Für den Punisher kein Problem.

Die Skepsis war also groß, als Netflix vor einem Jahr diesen blutrünstigen Kerl an den Start schickte. Wie will man der eindimensionalen und (selbst-)gerechten Figur irgendwelche interessanten Aspekte abgewinnen? Doch Marvel-TV-Chef Jeph Loeb und Showrunner Steve Lightfoot gelang das mit Bravour. Zu verdanken ist das vor allem der grandiosen Leistung von "Punisher"-Darsteller Jon Bernthal. Wenn er leidet, knurrt oder gnadenlos austeilt, geht das unter die Haut. Natürlich bietet auch die TV-Serie viel Blut und Brutalität, doch die Gewalt wird im Gegensatz zum Comic nur selten zelebriert - meist tut sie weh, wie im wirklichen Leben. Als Frank Castle gleich zu Beginn zum Hammer greift, kann man kaum hinsehen.

Überhaupt fesselt die erste Staffel mit einer bis zur letzten Szene unglaublich guten Geschichte über eine ungewöhnliche Männer-Freundschaft, orientierungslose aus dem Krieg heimgekehrte Soldaten und noch viel, viel mehr. Sie macht den Menschen Frank Castle sichtbar. Zudem überzeugt sie mit einem pulsierenden Soundtrack (von Tyler Bates), generell außergewöhnlich guten schauspielerischen Leistungen und glaubwürdigen, mehrdimensionalen Charakteren bis in die kleinste Nebenrolle.

Frank Castle und Amy: "Du hast einfach nur eine Ausrede gesucht".
Frank Castle und Amy: "Du hast einfach nur eine Ausrede gesucht".(c) Netflix (Cara Howe)

Familien-Idylle? Eine Illusion

Die seit Anfang Jänner auf Netflix verfügbare Staffel zwei beginnt langsam. Frank Castle findet sich in einer Bar irgendwo in der US-Provinz wieder und landet rasch im Bett mit der Barfrau, die ebenfalls mit den Geistern ihrer Vergangenheit zu kämpfen hat. Es scheint, als hätten sich zwei verlorene Seelen gefunden. Ein Hauch von unverhoffter Familien-Idylle schleicht sich in Franks Leben, ehe sich die Gewalt schlagartig ihren Weg zurück in sein Leben bahnt. Frank kann einfach nicht anders, als ein von unbekannten Killern bedrohtes Mädchen zu retten. Friedliches Leben ade. "Du hast einfach nur nach einer Ausrede gesucht", wird ihm die gerettete Amy später sagen.

Fans der ersten Staffel können sich einerseits über ein Wiedersehen mit Homeland-Agentin Dinah Madani (Amber Rose Revah), dem erinnerungslosen Punisher-Gegenspieler Billy Russo alias "Jigsaw" (Ben Barnes) sowie Punisher-Kumpel Curtis (Jason R. Moore) freuen, lernen aber andererseits auch einige neue Figuren wie die von den unbekannten Killern verfolgte und ziemlich vorlaute Amy (Giorgia Whigham), die rätselhafte Psychologin Krista (Floriana Lima) und den diabolischen Bösewicht John Pilgrim (Josh Stewart) kennen. Wieder sind es eigentlich die vielschichtigen Charaktere, die das wahre Highlight dieser TV-Serie darstellen.

Aber natürlich wird auch diesmal hemmungslos geprügelt und geschossen. Der Angriff auf eine Polizeistation in der Provinz ist unverkennbar eine Hommage an John Carpenters Klassiker "Assault - Anschlag bei Nacht". Für Zartbesaitete ist aber auch die zweite Staffel nichts. Frank Castle spuckt literweise Blut. Er grunzt und röchelt sich durch einige Folgen. Das ist nicht schön anzusehen, aber das soll Gewalt schließlich auch nicht sein. Wer sich davon nicht abschrecken lässt, wird belohnt. Denn es sind erschreckende, aber relevante Fragen, die hier abgehandelt werden und die sich viele Kriegsheimkehrer stellen müssen: Wie soll ich je wieder ein normales Leben führen? Wie das Animalische in mir zurückdrängen? Und noch schlimmer: Was soll ich mit der möglichen Erkenntnis tun, dass meine größte Talent das Töten ist?

Ein neuer unheimlicher Gegenspieler: John Pilgrim.
Ein neuer unheimlicher Gegenspieler: John Pilgrim.(c) Netflix (Cara Howe)

Alles in allem fallen die aktuellen 13 Folgen im Vergleich zur ersten Staffel zwar ein wenig ab, allerdings war das Ausgangsniveau ein außerordentlich hohes. Dem Team rund um die TV-Macher Loeb und Lightfoot ist es erneut gelungen, die Geschichte des gnadenlosen Bestrafers rasant voranzutreiben und auf unerwartet einfühlsame Weise zu interpretieren. Mit der allerletzten Szene wird der verzweifelte und zweifelnde Frank Castle dann auch endgültig zu jenem Mann, der er bis dahin nie so recht sein wollte: Dem Punisher.

Alles was nun kommt, muss nicht mehr unbedingt erzählt werden. Angesichts dieses logischen und zufriedenstellenden Endes ist auch die Nachricht leichter zu verdauen, dass "The Punisher" - ebenso wie alle anderen Marvel-Serien auf Netflix - nicht in die Verlängerung gehen wird.

"The Punisher", aktuell zwei Staffeln auf Netflix

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