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Anderson Paak: Renaissance-Mann des Hip-Hop

„Oxnard“, benannt nach einem kalifornischen Strand: Anderson Paak präsentiert sein viertes Album.
„Oxnard“, benannt nach einem kalifornischen Strand: Anderson Paak präsentiert sein viertes Album. (c) Warner
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Er bringt den Westcoast-Hip-Hop auf schmälere Geleise: Bei Anderson Paak verschmelzen Vergangenheit und Zukunft, Rap, Funk und Trap zu einer Einheit.

Das Auffälligste an ihm ist zunächst die Stimme. Sie klingt nasal, gleichzeitig rau. Mit der Zeile „These old sneakers, faded blue jeans, no tricks, no gimmicks“ raunte er sich 2015 in die Herzen. So einen Rapper hatte man zuvor noch nie gehört. Einerseits wechselt er gern zu purem Soulgesang, andererseits legt er viel Gift in seine Raps. Der Mann ist trotz einer gewissen Weichheit im Ausdruck total „street“. So sagt man im Hip-Hop, wenn die Authentizität der Straße durchklingt. Obige Zeile stammt aus dem Stück „Animals“. Es war auf Dr. Dres Album „Compton“ zu hören. Ein millionenfach gekauftes Werk, das, angefeuert vom damals edierten Film „Straight Outta Compton“, aus den Lautsprechern der nachgeborenen Jugend knallte – und noch einmal die zweifelhaften Werte der ersten Generation des Westcoast-Rap, der nie ohne Gewalt und Misogynie auskam, reflektierte.

Diese sind mittlerweile ziemlich aus der Mode gekommen. Und so lässt Anderson Paak das mit der Gewalt auch auf seinem vierten, abermals nach einem kalifornischen Strand benannten Album, „Oxnard“, sein. Den Sexismen entkommt er als Rapper auch in #MeToo-Zeiten aber letztlich nicht. Etwa wenn er sich im expliziten „Sweet Chick“ auf eine erotische Tour de force einlässt: Paak schlüpft in die Rolle eines sexuellen Nimmersatts, der alle – von der „cougar bitch“ bis zur „yogi bitch“ – kriegt.

„Trump's got a love child“

Anders als aktuelle Strömungen wie Trap und Cloudrap, die provokant auf Dilettantismus setzen, ist Paak ein gut ausgebildeter Musiker, der live gern Schlagzeug spielt und in seiner Musik nicht auf die opulente Siebzigerjahre-Ästhetik von Soul und Funk verzichten möchte. Völlig unzeitgemäß zelebriert er auf „Oxnard“ schönste Melodien und komplizierteste Rhythmen. Während jüngere Kollegen wie Lil Yachty und Playboi Carti bewusst auf Minimalismus setzen, pflegt er punkto Metaphern, Beats und Melodien recht haltlos Opulenz. Allein die Gästeliste liest sich wie ein Who's who des Hip-Hop. Snoop Dogg, Q-Tip, Kendrick Lamar und Dr. Dre, sie alle rappen mit Paak.

Politisch war Westcoast-Rap ohnehin nie, außer es ging um die Zugehörigkeit zu einer Gang. Wenn nun Paak sich in „6 Summers“ am Trump-Bashing versucht, geht das spektakulär schief. „Trump's got a love child and I hope that bitch is buckwild. I hope she sip Mezcal, I hope she kiss senoritas and black gals“, ätzt er im Rahmen dessen, bei dem er sich auskennt: in der doch recht engen Welt des kalifornischen Hedonismus.

Auffällig ist der Perspektivenwechsel im Vergleich zum Vorgänger. Wo auf „Malibu“ noch sehnsüchtig Richtung Wohlstand geschielt wurde, gibt sich Paak auf „Oxnard“ einigermaßen gesättigt vom Erreichen des American Dream. Geboren in eine Familie, in der sowohl Vater wie Mutter Erfahrung mit dem Gefängnis gemacht haben, strandete er selbst recht früh, durchlebte eine unruhige Zeit als Obdachloser. Ans Happy End mithilfe der Musik hat er allerdings immer geglaubt, das legt „The Dreamers“, der Schlusssong von „Malibu“, nahe. „It was made of dirt“, sagt Paak heute über sein Meisterwerk, an das das neue Album nicht ganz heranreicht.

Ein Highlight ist aber das entspannt groovende „Tints“ in dem sich Paak mit Kendrick Lamar humorvoll über Zwänge des Berühmtseins beklagt. Etwa darüber, sich dunkel getönte Autofenster anschaffen zu müssen. Um Reichtum, echten und gefakten, geht es auch in „Mansa Musa“, dem rhythmisch auffälligsten Stück auf „Oxnard“. Es erzählt vom afrikanischen König Mansa Musa, unter dessen Regentschaft Mali zwischen 1307 und 1312 aufblühte. Er besaß angeblich (inflationsbereinigt auf heute umgerechnet) 400 Milliarden Dollar. Im Vergleich dazu kann sich jeder neureiche Rapper als bitterarm empfinden.

Das passt Paak nun gut ins Konzept. Er tut das, was viele soziale Aufsteiger pflegen: Er romantisiert die frühen Jahre der Armut. Dabei streift er auch Wahrheiten. Etwa in „Brother's Keeper“, in dem die Wurzeln des Großsprecherischen des Genres offengelegt werden: „Niggas talking, but it's not too often that they live what they speak“, heißt es da über die großmäulige Attitüde des Hip-Hop. Bei Anderson Paak ist es eher umgekehrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.12.2018)

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