Geburtstagskonzert

Der Stinatzer Don Quijote und seine Gefährten

Nicht hoch genug preisen kann man Resetarits' Mut zum idealen Antivirtuosen zu wachsen.
Nicht hoch genug preisen kann man Resetarits' Mut zum idealen Antivirtuosen zu wachsen.(c) APA/HERBERT NEUBAUER
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Willi Resetarits feierte sein Lebenswerk mit nicht weniger als zwölf Bands an zwei Abenden in der Wiener Stadthalle.

Anders etwa als in Japan, wo das Üben auf dem Weg zur Meisterschaft ein grausamer Vorgang ist, ist der heimische Artistenaspirant im Allgemeinen recht freundlich zu sich selbst. Wenn der Autor Tanizaki Jun'ichirō in „Lob der Meisterschaft“ etwa berichtet, dass in seinem Land die Meister den Zöglingen mit dem Plektrum so lange auf den Kopf hauen, bis Blut spritzt, dann ist das außerhalb des Vorstellungshorizonts der Hiesigen. Der eben 90 Jahre alt gewordene Arik Brauer lernte justament nur jene Instrumente, bei denen Begabte nicht viel üben müssen. Und Willi Resetarits, der ganz klein schon dem Singen zugeneigt war, hat sich erfolgreich gegen jegliche Hochzüchtung seines Talents gewehrt. Und so klang im Laufe seiner Karriere manches, wenn er nicht gerade „Krowodisch“ sang, ein wenig ungelenk.

Nicht hoch genug preisen kann man Resetarits' Mut zum idealen Antivirtuosen zu wachsen. Von der Natur nicht mit den muskulösesten Stimmbändern ausgestattet, stürzte er sich dennoch in die allergrößten gesanglichen Abenteuer. Die daraus resultierende, zeitweilige Wackeligkeit war von hoher Magie und verführte viele Hörer dazu, sich mit ihm, diesem burgenländisch-kroatischen Don Quijote des Lieds, zu identifizieren. Und so agierte Resetarits ab 1963 in einer Vielzahl an Bands. Dies zelebrierte er nun – anlässlich seines 70ers – mit hohem Aufwand bei einem Doppelkonzert in der Stadthalle: Er begann mit dem Anfang, also mit seiner durch Wirtshaus-Wurlitzer sozialisierten Schülerband The Odds. Rasch bekam man einen Eindruck davon, wie die frühen Jahre der Beat-Musik hierzulande wohl geklungen haben. Ruppig, aber doch lieb. Das Kinks-Riffmonster „You Really Got Me“ bezähmte Resetarits mit jener Lässigkeit, wie sie die damalige Schlurf-Subkultur ausgezeichnet hat. Doch auch ein wilder Mann wohnt in seiner Brust. Den nennt er Ostbahn-Kurti. Diese beinah allseits beliebte Bühnenfigur würdigte er mit einer Unplugged-Session am ersten und mit einem wuchtigen Grande Finale am zweiten Abend.

Mit „Onkel Helmut“ und Bruder Lukas

Freudentränentreibend war die schmissige Lesart von „It's All Over Now“, einem Soulsong von Bobby Womack, den die Rolling Stones in den Sixties zum Welthit gemacht haben. Noch besser gefiel, wenn sich Resetarits am Liedgut von Steve Winwood, eines seiner Gesangsvorbilder, zu schaffen machte. „Somebody Help Me“ charmierte, „Can't Find My Way Home“ begeisterte. Gäste hatte er sich auch eingeladen. Etwa den „Onkel Helmut“ (besser bekannt als Schiffkowitz) sowie Bruder Lukas, der einst bei Jerry & The G-Man seinen Beatle machte. Mit dem Jazzer Wolfgang Puschnig verzärtelte er David Bowies „Life on Mars“.

Die Highlights waren zu viele, um sie alle zu nennen. Drei besondere Momente: Der politische Schmetterlinge-Song „Johnny reitet wieder“, Karl Farkas' „Pflückt ein Mädel Ribisel“ und „Alanech fia dii“ von H. C. Artmann, den Resetarits konsequent „H. L. Artmann“ im Sinne von „heilig“ nannte. Als einziges Lied wurde es an beiden Abenden vorgetragen, in unterschiedlichen Stimm- und Körperlagen. Die fistelige Version im Stehen, die er mit dem Stubnblues gab, war die Anrührendere. Insgesamt wurden es fast sieben Stunden zauberisch schöner Musik. Dieser Marathon war nicht bloß ein altruistischer Akt. Er war auch eine Form von Selbstverwöhnung: Resetarits und sein Publikum sind tatsächlich ein einziger Organismus.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2019)

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