Pop

Starke Stimme der Vorstadt

Esra rappt, ihr Bruder Enes singt – immer wieder über ihren Bezirk Ottakring. Und kommenden Samstag beim Wissenschaftsball.
Esra rappt, ihr Bruder Enes singt – immer wieder über ihren Bezirk Ottakring. Und kommenden Samstag beim Wissenschaftsball.(c) Akos Burg
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Die Geschwister Esra und Enes Özmen, kommende Woche im Rathaus, mischen melancholische Melodien mit Rap. Und deuten Schimpfwörter um.

Wenn man sich mit Esra und Enes Özmen unterhält, dauert es nicht lang, und man kommt auf das Thema Integration. Die so laufen kann wie bei ihrem in den 1960ern aus der Türkei eingewanderten Großvater, der in der Straßenbahn aufstand, wenn ein Österreicher daherkam: totale Anpassung. Oder so wie damals, als Esra begann, an der Kunstakademie zu studieren – und ihre konservativ-muslimisch aufgewachsenen Freunde zu Performances mitnahm: zwei Welten, die sich mischten.

Das Zusammenleben in einer multiethnischen Stadt ist ein wiederkehrendes Thema bei den Geschwistern, die als EsRAP Rap mit orientalischen Arabesketönen mischen und Deutsch mit Türkisch. 2011 fielen sie mit „Ausländer mit Vergnügen“ auf, in ihrem bekanntesten Song „Der Tschusch ist da“ wird ein klassisches Schimpfwort selbstbewusst umgedeutet. „Wir haben das als Selbstempowerment geschrieben“, sagt Esra (28) im Café International am Yppenplatz, wo sie sich eine Zigarette mit ihrem Bruder Enes (25) teilt. Jetzt soll das erste Album folgen – unterstützt durch Crowdfunding.

Seit zehn Jahren machen die in Ottakring aufgewachsenen Geschwister zusammen Musik, in einer Konstellation, die für das Genre ungewöhnlich ist: Esra rappt, ihr Bruder singt. „Dass wir damit Rollenklischees brechen, ist uns eigentlich erst später bewusst geworden“, sagt Enes. Begonnen hat alles, als Esra einst begann, Gedichte zu schreiben und diese dann – unterlegt mit melancholischer türkischer Musik – aufzunehmen. Irgendwann sang Enes, der schon seit jeher die Familienfeiern musikalisch untermalte.

„Meine Texte haben zu Rap gefunden, weil ich dort die Stärke gefunden habe, die ich gesucht habe“, sagt Esra. „In der Arabeskemusik, mit der wir aufgewachsen sind, haben wir gespürt, dass wir leiden. Im Rap haben wir herausgefunden, warum wir gelitten haben. Und es ist wichtig zu wissen, warum man gelitten hat.“ Wie ihr Bruder erzählt sie auch über Anfeindungen wegen ihrer Wurzeln, über Diskriminierung, über ihre Kämpfe mit dem Bildungssystem. Und dass das auch mit einem Uni-Titel nicht vorbei ist. „Mir sagen sie immer: ,Esra, du bist Magister, dein Leben ist jetzt sicher viel einfacher.‘ Aber ich werde immer noch wie ein Ausländer behandelt.“

„Rap ist eine besondere Kunst“

Über andere (migrantische) Rapper in Österreich – viele von ihnen aus den Wiener Außenbezirken –, schreibt Esra Özmen aktuell in ihrer Dissertation an der Akademie der bildenden Künste, wohin sie nach einem Jahr Jusstudium gewechselt hat. „Rap ist eine besondere Kunst“, sagt sie. „Weil er ein breites Publikum hat und weil man damit Leute erreichen kann, die sich unter Kunst etwas ganz anderes vorstellen.“

EsRAP selbst haben inzwischen jedenfalls auch abseits der Rapszene ein Publikum erreicht. Im Vorjahr spielten sie bei der Eröffnung der Wiener Festwochen. Und am kommenden Samstag sind sie beim Wissenschaftsball im Wiener Rathaus. Für beide übrigens der erste Ball – wenn man den Schulball nicht mitrechnet.

AUF EINEN BLICK

EsRAP besteht aus den Geschwistern Esra (28) und Enes (25) Özmen. Sie sind als Kinder türkisch-österreichischer Eltern in Wien Ottakring aufgewachsen. Um den Bezirk geht es auch in ihren Songs immer wieder, ebenso um das Leben mit Migrationshintergrund. Ihr bekanntester Titel bisher ist „Der Tschusch ist da“. Esra und Enes Özmen machen seit zehn Jahren gemeinsam Musik. Kommenden Samstag (26. 1.) treten sie beim Wiener Wissenschaftsball im Rathaus auf. Derzeit läuft das Crowdfunding für ihr erstes Album (alle Informationen auf www.esrapduo.net).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2019)

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