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Die unvergleichliche Wucht von Metallica

APA/GEORG HOCHMUTH
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Im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion überraschte die Band mit dem Austropop-Lied »Schifoan“.

Ob Ennio Morricone zu Weihnachten Dankeskarten an Metallica verschickt? Schließlich läutet die Band bereits seit 1983 ihre Konzerte mit einer Melodie vom Soundtrack zu „Zwei glorreiche Halunken“ ein. Da kommt sicher einiges an Tantiemen zusammen. Nicht nur Morricones Melodie erklang am Freitagabend im Wiener Happel-Stadion, wo Metallica auf ihrer „Worldwired Tour“ zum zweiten Mal in Wien Station machten, man sah auch die dazugehörige Szene aus Sergio Leones Western: Eli Wallach sucht auf einem kargen Friedhof verzweifelt nach verstecktem Gold. Das Bild: so klar wie im Kino. Aus fünf riesigen Leinwänden bestand die Bühne, gerahmt von einem M und einem A, in der für Metallica typischen Schrift gehalten, aber teilweise gebrochen, wie geborsten. Ein Hinweis auf das aktuelle Album, dem Anlass für die Welttour: „Hardwired . . . to Self-Destruct“, das elfte Studioalbum der Metal-Vorreiter, immerhin auch schon von 2016.

Keine Vergebung. Mit dem Titelsong, „Hardwired“, beginnt auch das Set, eines von vier Liedern aus dem aktuellen Album. Das ist vergleichsweise viel für eine Band, die üppig Material hat. Natürlich spielen sie auch einige ihrer populärsten Songs, darunter „The Unforgiven“, „Master of Puppets“ und „Nothing Else Matters“ (als Zugabe), aber insgesamt variiert die Setlist von Konzert zu Konzert. Der Aufwand dafür muss immens sein, denn jedes Lied wird von genau darauf abgestimmten Visuals begleitet. Jedes zweite wird sogar begleitet von einem richtigen kleinen Film.

„Here Comes Revenge“ (ebenfalls vom „Hardwired“-Album) erzählt gar eine Geschichte: von einer Hyäne, die Trophäen sammelt in Form hübscher Rehe, doch diese erheben sich gegen ihren Mörder. „Eye for an eye, tooth for a tooth, a life for a life, it's my burden of proof“, heißt es im Text dazu: „You ask forgiveness, I give you sweet revenge.“ Nein, mit Vergebung hat es das Genre Metal generell nicht so. Gern geht es ans Eingemachte: um Wut, Angst, Authentizität und Abgründe. Weniger um Ästhetik, trotzdem hat die Show von Metallica etwas überraschend Filmisches: Bei „For Whom the Bell Tolls“, der Hommage an Hemingways Spanischer-Bürgerkriegs-Roman, fallen Soldaten, ähnlich wie bei Robert Capa. Bei „One“ marschieren Uniformierte, und die Kamera schwebt durch ein Stacheldraht-Labyrinth – wie in einem Videospiel: „Now that the war is through with me, I'm waking up, I cannot see, that there is not much left of me, nothing is real but pain now“, lautet eine Textstelle. Soldaten gibt es auch bei „Sad but True“, Hämmer in Rot und Blau, ein Gesicht, das eine Mischung aus Stalin und Trump sein könnte. Bei „Seek & Destroy“ („You will pay dying, one thousand deaths“) droht ein blutroter Sturm über das Publikum zu fegen . . .

Wettergegerbt. Braucht es diese große visuelle Show? Metallica sind unvergleichlich in ihrer akustischen Wucht. Vom ersten Ton an beherrschen sie mit ihrer „Wall of Noise“ das mit rund 53.000 Besuchern ausverkaufte Stadion. Das liegt nicht an der Lautstärke, jedenfalls nicht nur. Sie preschen durch ihre Lieder mit einer Energie, die man diesen wettergegerbten Mannen, selbst zunehmend wie Westernstars aussehend, kaum zutraut. Sie wissen sich die Kräfte einzuteilen, sie sind Routiniers ohne Ermüdungserscheinung. „I have the best job in the world“, sagt Sänger James Hetfield, und man glaubt ihm. Dass einige aus der Band in der Mitte des Sets eine Pause brauchen – vor allem Lars Ulrich, der beharrlich ins Schlagzeug drischt, Augen und Mund verzerrt –, ist verständlich. Schließlich gibt es jeden zweiten Tag einen Auftritt zu absolvieren und das Publikum zufriedenzustellen. Nach Wien folgen Prag, Warschau, München . . .

Und dann, in dieser Atempause, experimentiert Metallica wieder einmal (wie damals, als sie ein Album mit Lou Reed aufnahmen, aber darüber hüllt man besser den Mantel des Schweigens): Bassist Robert Trujillo zollt nicht nur Cliff Burton, seinem 1986 auf einer Tour tödlich verunfallten Vorgänger, Tribut. Er stimmt gemeinsam mit Gitarrist Kirk Hammett auch einen Austropop-Klassiker an: „Schifoan“ von Wolfgang Ambros. Diese Gitarrenmelodie klingt fantastisch, egal ob sie ein österreichischer Liedermacher auf der akustischen oder ein US-Metalstar auf einer E-Gitarre zupft.

Den Schlusspunkt setzte wie üblich „Enter Sandman“, begleitet von einem Feuerwerk. Als ob man das bräuchte. Das Publikum folgt Metallica längst schon, wie's im Song heißt, „off to never never-land“. Wo immer das sein mag.

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