Musikkabarett

Paul Pizzera und Otto Jaus: Zwei zärtliche harte Buben

Wollen sich in keine Rolle drängen lassen: „Wir sind einfach der Ottl und der Paul.“
Wollen sich in keine Rolle drängen lassen: „Wir sind einfach der Ottl und der Paul.“(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Paul Pizzera und Otto Jaus demonstrieren zugleich Virilität und tiefe Gefühle – und sind damit sensationell erfolgreich. Ab heute touren sie erneut durchs Land.

Die beiden Männer, die gemeinsam eine der derzeit erfolgreichsten österreichischen Musikgruppen bilden, haben großen Appetit. Die „Presse“ trifft sie zum späten Mittagessen in einem Wiener Kaffeehaus, zwischen Fernsehterminen und Fan-Events soll gespeist und geplaudert werden. Über die Texte, mit denen Paul Pizzera und Otto Jaus nun schon seit einigen Jahren Kabarettbühnen, Stadthallen und Hitparaden stürmen, über Männlichkeitsbilder und Dialektwörter – und über die Zärtlichkeit, mit der sie einander begegnen, während sie sich gleichzeitig gegenseitig publikumswirksam durch den Kakao ziehen. Dazwischen kommt das Essen. „Bestellt als Letzter und kriegt's als Erster“, kommentiert ein hungriger Pizzera das Nahrungsprivileg seines Kollegen: „Der Hund is so a Glücksritter, es is unglaublich!“ Jaus greift zum Besteck. „Mahlzeit! Willst du kosten, Pauli?“

„Es war Bromance“, erinnern sie sich an die gemeinsamen Anfänge. Kennengelernt haben sie sich bei einer „Langen Nacht des Kabaretts“: der Weststeirer Pizzera, der über Poetry Slams zum Kabarett gekommen war, und der Weinviertler Jaus, ein ehemaliger Sängerknabe, der in Musicals gesungen hatte und vom künstlerischen Ziehvater Michael Niavarani gefördert worden war. 2016 erschien die gemeinsame Single „Jedermann“, das erste Album „Unerhört solide“ hält sich seit über zwei Jahren in den Ö3-Charts, der eben erschienene Nachfolger „Wer nicht fühlen will, muss hören“ stieg auch gleich auf Platz eins ein. Nun beginnt eine Tournee, die die beiden durch Dorfturnsäle und Konzerthallen führen wird: Das dritte Jahr in Folge füllen sie im April mit ihrer Mischung aus Rockergehabe, launigen bis anrührenden Mundarttextkaskaden und Doppelconférencen („nur Musik zu machen, wär uns zu seriös, nur Kabarett zu profan“) die Wiener Stadthalle, die beiden Termine dürften schon bald ausverkauft sein.

„Alles, was ab ,Jedermann‘ passiert ist, ist eigentlich Luxus“, reflektiert Jaus. „Wir können das machen, was wir lieben“, sagt Pizzera. „Wenn's so weiterläuft: danke!“ Es ist etwas, das sie oft und gern betonen: die Demut vor dem Erfolg – und den Umstand, dass sie sich nicht verbiegen, dass sie ihr Image nicht bewusst aufbauen: „Wir sind einfach der Ottl und der Paul.“ Dabei könnten sie auch als Vertreter eines neuen Männlichkeitsverständnisses dienen: Buben, die – nicht nur durch muskelbetonende Leiberln – ihre Virilität zur Schau stellen, aber auch Gefühle zeigen, die selbstironisch den Macho spielen, dazwischen aber durchaus zeitgemäße Botschaften anbringen. Ihr durchklingendes Versprechen, das sie wohl auch zu Lieblingen der Frauenmagazine gemacht hat: Mädchen, ich will dich erobern und auf Händen tragen – aber natürlich akzeptiere ich deine völlige Selbstbestimmung.

So besingen sie in „Kaleidoskop“, für dessen Musikvideo Fans ihre Hochzeitsfilme eingesandt haben, den Wunsch, „dass du ohne mi konnst, oba net ohne mi wüst“. Viele Lieder handeln von verflossener oder unerwiderter Liebe. „Tuansackl“ ist eine amüsante Klage über den Neuen der Ex, der Fensterglasbrille und Hipster-Beutel trägt: „Mit nosse Hoa bringt er's vielleicht auf stolze 50 Kilo!“. „S'Liad vom Opa“ erteilt bodenständigen großväterlichen Rat mit STS-Zitaten; „Jetz loss mi rean“ hält die Sehnsucht nach verschlingenden Emotionen hoch.

„So red'n ma halt!“

Bei Pizzera-Jaus-Konzerten fließen regelmäßig Tränen. „Wir haben nie darüber nachgedacht, was Mann darf und was nicht. Das ist uns sowas von wurscht“, sagt Jaus; Pizzera ergänzt: „Wir sind halt zwei emotionale Typen, die zeigen, dass man Gefühle zulassen kann, dass es einem besser geht dadurch.“ Die Maxime der beiden: völlige Authentizität. Auch in der Sprache. „Man kann ruhig stolz im Dialekt singen. Das hat nix mit dummen nationalistischen Gedanken zu tun, sondern so red'n ma halt“, sagt Pizzera, der sich in keinen Mundartpop-Trend einordnen lassen will. Er hält es lieber mit Karl Ferdinand Kratzl: „Hässlich ist ein schönes Wort, aber schiach ist treffender.“

Bodenhaftung nach einem Konzert-Höhenflug suchen sie bei der Familie und auf gemeinsamen Urlauben: „Wir teilen uns ein Zimmer, wir megn uns halt wirklich!“

Album und Tournee: „Wer nicht fühlen will, muss hören“. Zahlreiche Termine bis Juni in Österreich und Deutschland; z.B. am 1. und 2. April in der Wiener Stadthalle.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.09.2019)

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