Sexismus?

Yung Hurn: Neues vom bösen Buben aus 1220

Yung Hurn.
Yung Hurn.(c) APA/HERBERT P. OCZERET
  • Drucken

Yung Hurns zweites offizielles Album „Y“ ist abermals State of the Art. Seine expliziten Texte ernten viel Kritik. Sind sie skandalös oder einfach nur genre-immanent?

Auf wenig kann man sich mehr verlassen in dieser Welt, als dass einem Hype der Backlash folgt. Julian Sellmeister aka Yung Hurn weiß das. Er hätte am liebsten, dass gar nicht über sein neues Album „Y“ geschrieben würde. Aber die vor einigen Tagen im Kaffeehaus gemeinsam erdachte, ideale Form, dem neuen Opus journalistisch zu begegnen, in dem man Headline, Subtitel und Autorennamen oberhalb eines weißen Flecks veröffentlicht, ließ sich nicht verwirklichen. Nicht zuletzt, weil das neue Album mit Sexismusvorwürfen bedacht wird. Und das in einem Ton, als wären die Kritiker Fixangestellte im Wahrheitsministerium.

Dabei kommen die Anwürfe reichlich spät. Es sollte bekannt sein, dass ein Genre wie Cloud Rap davon lebt, dass die Lyrics strikt durchsexualisiert, drogenverseucht und überhaupt plemplem sind. Schon viele von Yung Hurns älteren Stücken hätten diese Kritiker auf den Plan rufen müssen. „Lachs-Anthem“ etwa, oder das explizite „MHM“ vom Erfolgsalbum „1220“. Dass jetzt eine Zeile wie „Kleine Bitch ist mein Ponny“ für Empörung sorgt, mutet ziemlich aufgesetzt an.

Jugendfrei sind Passagen wie „Sie hat Wichse aufm Gesicht, sie braucht Zewa (Ups), wisch weg, wart da klebt was“ natürlich nicht. Aber derlei hat lange Tradition in der Popmusik. Wilde Sexualität gilt seit den Tagen des Rock ´n´ Roll als subversiv. In den 70ern, der Ära der „freien Liebe“ wurde die Erotik im Pop deutlich expliziter.

Die Soulsängerin Millie Jackson hat zwischen herzerweichenden Soulsongs jede Menge „nasty stuff“ angebracht. Nie zuvor hat man eine Frau so ordinäres Zeugs sagen und singen gehört. Der Funkmusiker Clarence Reid schrieb sich unter dem Pseudonym Blowfly höchst erfolgreich mit Alben wie „Porno Freak“ in die XXX-Szene ein. Zu seinen Hits zählte etwa ein Song mit dem Titel „Too Fat Too Fuck“, der heute unter „Bodyshaming“ und „Sexismus“ fallen würde. Damals sorgte er bloß für mildes Schmunzeln. Vielleicht hätte sich Yung Hurn für einen seiner Porno Raps eine Duettpartnerin suchen sollen, wie es US-Rapper Lil Wayne vor Jahren für „Wowzers“ getan hat.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.