Musik

Die weite Welt wohnt im dritten Wiener Bezirk

Ernst Molden ist polyamourös – jedenfalls als Musiker.
Ernst Molden ist polyamourös – jedenfalls als Musiker.(c) imago images / Rudolf Gigler (Rudi Gigler via www.imago-images.de)
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Ernst Molden stellte im Konzerthaus das Album „Schdean“ vor.

Ernst Molden ist polyamourös – jedenfalls als Musiker. Doch er kehrt verlässlich zu seinen bewährten Lieben zurück. So auch zum Quartett aus dem E-Gitarristen Hannes Wirth, dem Quetschenspieler Walther Soyka und dem großen Willi Resetarits, das wundersam wackelige Klänge erzeugt. Und so wurde die Präsentation des vierten gemeinsamen Albums „Schdean“ zur Feierstunde im Wiener Konzerthaus.

Der Titel bezieht sich wohl auf die Himmelskörper, könnte aber auch „stören“ heißen. Molden ist ein Flaneur und Bohemien, ausgestattet mit der richtigen Mischung aus Unruhe und Wurschtigkeit, er findet die Poesie im Staub. Rau sang er sich mit „Laundschdreichaliad“ in den Abend hinein: Er und Resetarits lobten einen vergangenen Sommer, versicherten ihm, stets bereit für seine Rückkehr zu sein, etwa für ein Reindl voller „robmschwoazzer Blaubean und gagalgöwe Büz“, wie Resetarits mit brüchiger Stimme sang.

„Sailing“ wird zu „Foan“

In Moldens Liedern sind Idyll und Schaurigkeit nach Altwiener Art miteinander verschränkt. In fast jede sonnensatte Szenerie dräut etwas hinein. Wohl um gefahrlos durchs Pandämonium des Wienerischen zu driften, hängen sich die Vier Halsketten mit Kunstperlen um – Sinnbild für ein Paradoxon, das dieses Quartett schafft: artifizielle Authentizität. Moldens Mundart ist ein Idiolekt, der vielleicht gerade wegen seiner Künstlichkeit für die Hörer bewohnbar ist. Sie adelt Spuren fremder Songs: So erinnert die Zeile „Mi san ned de scheensdn, dafia schbüü ma a musik“ an Leonard Cohens „We are ugly, but we have the music“ aus „Chelsea Hotel #2“. Und sie hilft, so manchen englischen Song in Moldens Heimatbezirk Wien Landstraße zu übersiedeln. Da wird John Hiatts „Feels Like Rain“ zu „Gschbiasd en Regn“, Gordon Lightfoots „If You Could Read My Mind“ zu „Da Geisd bin i“, Rod Stewarts „Sailing“ zu „Foan“: In all diesen Liedern glänzte Resetarits als unorthodoxer Sänger, der die Melodie seinen Ausdrucksmöglichkeiten gemäß zurechtschnitzte.

Der Abend endete vital mit den Molden-Hits „Awarakadawara“ und „Hammaschmidgossn“. Anders als die Gasse im Lied grüßte das Publikum laut retour.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.06.2021)

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