Aus dem Archiv von Prince: Genie intim

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„Piano & Microphone 1983" , ein Klavier- und Vokalalbum, öffnet ein Fenster ins Arbeitszimmer des Genies.

Die schlechte Nachricht zuerst. Wir werden die vollständige Auswertung des riesigen Archivs, das Prince hinter­lassen hat, nicht mehr erleben. Bobby Z., Schlagzeuger von Prince zwischen 1978 und 1986, berichtet, dass dieser täglich zwei Songs geschrieben hat. Und er empfiehlt hochzurechnen: „2 (Lieder) mal 365 (Tage pro Jahr) mal 39 (Jahre)." Jetzt ist einmal „Piano & Microphone 1983" veröffentlicht worden. Nicht das dringlichste der sehnsuchtsvoll erwarteten Geisteralben. „Crystal Ball", „Camille" und „Dream Factory", die allesamt der Veröffentlichung von „Sign o’ the Times" zum Opfer fielen, nach ihnen gieren Die-hard-Fans stärker. Oder die legendäre Silvester-Session mit Miles Davis von 1987/88, die wäre wohl vorrangiger zu veröffentlichen gewesen. Aber gut, wir freuen uns auch über dieses neue Album, das ein Fenster ins Arbeitszimmer des Genies öffnet.

Prince hat ja nie Demoaufnahmen gemacht, er hat stets alles live am Klavier (seltener an der Gitarre) entwickelt. Die 35  Minuten des wiederentdeckten, als Bootleg allerdings schon lange bekannten Albums sind Goldes wert. Sie haben (fast) nichts zu tun mit den Soloklavierkonzerten, die Prince in seinen letzten eineinhalb Lebensjahren zu spielen pflegte. Davon gibt es ein superbes Bootleg namens „One Nite Alone", auf der eine glühende Coverversion von Joni Mitchells „A Case of You" ist, das Prince auch schon 1983 voller Liebe coverte. Neben diesem Songklassiker aus fremder Feder sind auf dem neuen Album vor allem Prince-Songs zu hören, einige davon in einem Frühstadium. Ein ­introvertiert exekutiertes „Purple Rain", das das spätere ekstatische Ende samt überbordendem Gitarrensolo nicht erahnen lässt.

(c) Warner Music

Vokale Zartheit und Passagen mit recht rauer Intonation wechseln unwiderstehlich. Die ersten sieben Songs gehen ineinander über. Der funky Beginn mit dem grandiosen „17 Days", das später ein Schicksal als Single-B-Seite fristen musste, ist ein Highlight. Genauso wie die aus dem 19. Jahrhundert stammende Gospelnummer „Mary Don’t You Weep", bei der Prince mit gutturalem Ausdruck an die große Black-Music-Tradition andockt. „Piano & A Microphone" verschafft uns einen Blick auf den kreativen Prozess eines der größten Musikgenies in der Geschichte der Popmusik. Etwa bei der recht verträumten und verspielten Frühversion von „Strange Relationship", das in seiner vollen Gestalt erst vier Jahre nach dieser Aufnahme veröffentlicht wurde. Mit „Cold Coffee & Cocaine" und „Why The Butterflies" beschließen zwei unveröffentlichte Songs das schmucke Album. (NPG/Warner Music)


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