Soja ist langweilig – und das ist gut so

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Sojabohne und Tofu haben noch immer mit einer Reihe von Vorurteilen zu kämpfen. Zumindest am neutralen Geschmack ist auch etwas dran – was der Pflanze aber nicht unbedingt schadet.

Für Elisabeth Fischer ist die Sojabohne die neue Kartoffel. Auch die schmeckt nach nichts – zumindest ungekocht – und wurde einst verschmäht, anfangs als etwas Fremdes, später als Arme-Leute-Essen. Mittlerweile weiß man, dass sie gesund und auch vielfältig einsetzbar ist.

„Heute sagt man ja, dass ein Kartoffelsalat etwas typisch Österreichisches ist und köstlich schmeckt“, meint Fischer. Geht es nach ihr, wird man schon bald genauso selbstverständlich von einer Palatschinke aus Sojamilch sprechen.

Dass die Kartoffel einst hierzulande unbekannt war, ist heute kaum vorstellbar. Erst Friedrich der Große hat sie in Deutschland Mitte des 18.Jahrhunderts großflächig anbauen lassen und ihr dadurch in Europa zum Durchbruch verholfen. „Sie war eigentlich schon früher da, im 16.Jahrhundert. Aber damals gab es nicht so eine große Hungersnot.“

Dass auch die Sojabohne ihren Weg hierher fand, ist ebenfalls ein Weilchen her. 1873 brachten die Japaner die exotische Sojabohne zur Weltausstellung nach Wien. Zwei Jahre später startete der damalige Boku-Direktor, Friedrich Haberlandt, erste Anbauversuche. Auch Soja musste sich eine Zeit lang als Arme-Leute-Essen herumschlagen. „Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es sogar eigene Sojakochbücher. Was da gekocht wurde, war aber wirklich nicht gut“, sagt Fischer. Heute hingegen wird nicht nur mehr Wert auf die Qualität gelegt. Man weiß auch wesentlich mehr über die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten.

Tofu selbst machen.

Dieses Wissen hat sich Fischer in den 80er-Jahren noch teilweise selbst angeeignet. Der gelernten Soziologin war die Ernährung schon immer wichtig, irgendwann stieß sie auf Tofu – und zwar in München bei ihren amerikanischen Nachbarn, die im selben Haus ein vegetarisches Restaurant eröffneten. Fischer stieg als Köchin und Teilhaberin ein. Da es Ende der 80er-Jahre zwar Sojabohnen, aber kaum Sojamilch geschweige denn Tofu gab, musste beides eben selbst hergestellt werden. „Das geht, ist aber ein bisschen mühsam.“

Wer es dennoch ausprobieren möchte, muss zuerst Sojamilch herstellen. Genau genommen darf sie in der EU nicht so genannt werden. Sojadrink heißt die korrekte Bezeichnung, denn Milch darf nur das heißen, was aus einem Euter kommt. Um dann eben den Sojadrink herzustellen, werden eingeweichte Sojabohnen gemahlen, mit Wasser vermischt, aufgekocht und abgeseiht. Für den Tofu wird, ähnlich wie bei der Käseherstellung, die heiße Sojamilch mit einem Gerinnungsmittel vermengt. Die Flocken, die dadurch entstehen, werden abgetropft und gepresst. Je nachdem, wie lange der letzte Vorgang dauert, entsteht daraus weicher oder fester Tofu.

So weit, so langweilig. Denn Tofu allein schmeckt, ebenso wie Sojamilch, noch ziemlich neutral – um nicht zu sagen fad. „Das ist auch gut so“, sagt Fischer, die in ihrem Kochbuch „Soja. Der leichte Genuss“ (Kneipp Verlag) eine Reihe von Rezeptvorschlägen bietet. Da wird Soja gemeinsam mit Fleisch zu Faschiertem gemacht – was zu einer fett- und cholesterinärmeren Variante führt –, zu Marinaden verarbeitet oder bei Süßspeisen verwendet. Selbst der Weihnachtsstollen lässt sich mit Sojamilch machen. „Der entscheidende Grund für die vielen Vorurteile gegenüber Soja ist, dass die Menschen noch nie eine Speise mit Soja gegessen haben, die köstlich schmeckt“, sagt Fischer.

Gegen Wechsel und für die Potenz.

Ginge es nach ihr, sollte sich das schleunigst ändern. Denn Soja hat – neben der geschmacklichen Neutralität – auch einige Vorteile gesundheitlicher Natur. So soll es nicht nur gegen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Diabetes vorbeugen, sondern auch ein wahres Wundermittel für eine schöne Haut und gegen Wechselbeschwerden sein. Für Letzteres sind die darin enthaltenen Phytoöstrogene verantwortlich. Fischer selber schwört darauf, dank des täglichen Tofuverzehrs mit ihren 61 Jahren so etwas wie Wechselbeschwerden nicht zu kennen. Auch Männern will sie das Pflänzchen ans Herz legen. Bei denen braucht es allerdings schon etwas mehr Überzeugungsarbeit. „Frauen sind da aufgeschlossener. Bei Männern funktioniert es oft über den Sport, immerhin hat Soja viel Eiweiß.“ Und über die Potenz. „Dieses Argument zieht immer“, sagt sie schelmisch. Soja soll die Gefäße jung und elastisch halten, was auch der Libido zugute kommt.

Allerdings gilt bei Soja, wie bei allen anderen Lebensmitteln auch: Zu viel ist nie gut. Ausgewogen soll die Ernährung sein. Und: Auch gegen Soja kann man allergisch sein.

Fischer hat aber noch zwei weitere Vorurteile ausgemacht, gegen die sie in ihrem Kampf für die Sojabohne vorgeht: das Missverständnis, dass die Sojasprosse etwas mit der Sojabohne zu tun hat. Erstere stammt nämlich von der Mungobohne. Dass das noch immer verwechselt wird, haben die Sojaproduzenten beim Skandal um tödliche Ehec-Keime gespürt.

Das zweite Vorurteil lautet, dass Soja den Regenwald zerstört und genmanipuliert ist. Das stimmt nämlich nur zum Teil. Immerhin wird Soja auch in Österreich angebaut – genau genommen auf 34.300 Hektar (2010). 94.500 Tonnen Sojabohnen wurden im Vorjahr geerntet. Um die Kartoffel einzuholen, von der 210.000 Tonnen auf 6000 Hektar angebaut werden, muss Frau Fischer aber wohl noch ein bisschen Überzeugungsarbeit leisten.

SOJABohne

1700–1100 v. Chr.
Erstmals in China angebaut.

1873
Präsentation von Soja bei der Weltausstellung in Wien.

1875
Erste Anbauversuche der Boku in Niederösterreich.

1922
Kultivierung im Weinviertel.

2010
In Österreich werden 94.500 Tonnen Sojabohnen auf 34.300 Hektar angebaut. Die Anbaufläche hat sich im Vergleich zu 2009 um 34 Prozent vergrößert.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.12.2011)

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