Kein Geschenk für Mama

Rollentausch. Wenn die Mama verbietet, dass man sie beschenkt. Und dann der Tochter ein Geschenk mitbringt. ✒

Seit meiner Kindheit ist der Muttertag mit den immer gleichen Sätzen verbunden: Reine Geschäftemacherei sei das alles, pflegt meine Mutter zu sagen. Ich solle bloß nicht auf die Idee kommen, ihr etwas zu kaufen, nur weil da irgendjemand den Muttertag ausgerufen habe. Überhaupt habe sie ohnehin schon alles. (Was stimmt.)

Noch heute ruft die Mama, die sonst sehr selten von sich aus anruft, verlässlich drei, vier Wochen vor dem Muttertagssonntag an, um mir mitzuteilen, dass ebendieser Muttertag nahe und ich ihr „ja nichts“ kaufen möge.

Unnötig zu erwähnen, dass die Mama selbstverständlich trotz aller Vorab-Proteste verlässlich immer ein Geschenk bekommen hat: zunächst Basteleien aus dem Kindergarten (wo sind die eigentlich alle hingekommen?), später Gedichte, die in selbst gemalten Karten aus der Volksschule mit nach Hause kamen, ehe all das später von gekauften Geschenken abgelöst wurde.

Bis ich mich eines Tages tatsächlich an die Wünsche der Mama gehalten und ihr zum Muttertag wirklich nichts gekauft, nichts gebacken und natürlich auch nichts gebastelt habe. Und wissen Sie, was dann passiert ist? Nicht nur, dass ich so überhaupt gar nichts für die Mama hatte – die Mama hatte noch dazu etwas für mich!

Wieso man denn nicht der Tochter auch mal etwas zum Muttertag schenken könne, meinte sie. Ich war natürlich peinlich berührt (auch wenn das Geschenk, eine gigantische Plastikente, genau genommen eh fürs Enkelkind gedacht war). Seit damals bekommt die Mama von mir zwar immer noch nichts, aber dafür bastelt und zeichnet ihr das Kind etwas zum „Omatag“. Und natürlich freut sie sich, die Mama. ⫻

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.05.2021)

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