Mallorca statt Ibiza

Oder: Warum man im Wahlkampf besonders auf den Urlaubsort achten sollte.

Nachdem ganz Österreich im Mai schon wochenlang in Ibiza war, merkt man nun, wie sich eine etwas ratlose Stimmung breitmacht: Was fangen wir nur mit diesem angebrochenen Sommer an? Verwöhnt durch spektakuläre Rücktritte, grimmige Misstrauensanträge und zig würdige An- und Abgelobungen in der Hofburg wird allen klar, dass wir diesen Level an atemloser Unterhaltung bis zur Nationalratswahl nicht aufrechterhalten werden können. Der Preis der Stabilität ist also irgendwie die Langeweile. Und „Game of Thrones“ ist auch schon abgedreht.

Da kommt das gute Wetter gerade recht, das man erfahrungsgemäß am Anfang immer am meisten genießt. Seit Ibiza wissen wir auch, ein paar Freunde, leichte Kleidung, die richtigen Getränke und interessante Gesprächsthemen, da vergeht so ein Sommerabend wie im Flug. Nur das mit dem Rauchen könnte bald nicht mehr so einfach sein. An rauchfreie Beiseln wird man sich zwischen Wien und Bregenz erst gewöhnen müssen. Und wir sind schon gespannt, wann die 140-km/h-Schilder auf den Autobahnen wieder abmontiert werden.

Apropos Ibiza: Wir möchten jede Wette eingehen, dass kein wahlkämpfender Politiker heuer dort Urlaub machen wird, selbst wenn die Reise bereits gebucht worden wäre. Wenn schon Spanien, könnte man als SPÖ-Kandidat nach Mallorca reisen, um ein wenig Farbe und Kreisky-Patina für die entscheidenden Konfrontationsrunden im Fernsehen schinden zu können. Die Freiheitlichen könnten sich in Barcelona über Unabhängigkeitsbestrebungen informieren wollen, das kann für Separationsvorhaben aller Art nie schaden. Die Neos müssen sich bis zur Wahl zwischen Signalen in Richtung Weltoffenheit durch das Bereisen der weiten Welt und dem vorwerfbaren ökologischen Fußabdruck entscheiden. ÖVP und Grüne sitzen in einem Boot, sie werden in Österreich urlauben müssen. Die Grünen aus Nachhaltigkeitsgründen, die Volkspartei wird in den Bundesländern ihre Kernklientel treffen. Heißer Tipp: Wolfgang Schüssel war immer am Wolfgangsee (Abersee), wo auch Helmut Kohl seiner Sommer verbracht hat. Wohin die Liste Jetzt auf Urlaub fährt, dürfte keine große Rolle spielen. Vielleicht reicht's ja für ein Direktmandat mit Vorzugsstimmen. Das kann man auch nach dem Rücktritt noch gut annehmen.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2019)

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