Die Eidgenossen auf dem Pulverfass

Alphorn blowers perform an ensemble piece on the last day of the International Alphorn Festival on Lac de Tracouet near the village of Nendaz
Alphorn blowers perform an ensemble piece on the last day of the International Alphorn Festival on Lac de Tracouet near the village of Nendaz(c) REUTERS (PIERRE ALBOUY)
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Viele Zentralbanken nehmen vermehrt den Immobilienmarkt als möglichen Auslöser einer Krise ins Visier. In der Schweiz gilt er bereits als größtes Risiko. Was tut sich da bei den Eidgenossen?

Zürich/Wien. Die erste Wohnungsmiete gratis? Zum Einzug noch ein Fitnessabo? Oder Einkaufsgutscheine, um den neuen Kühlschrank zu füllen? Mit solch kreativen Lockangeboten suchen Wohnungsbesitzer in der Schweiz nach Mietern. Doch was Letzteren gefallen mag, ist für Immobilienexperten ein erstes Zeichen einer heraufziehenden Krise: Denn der Bauboom sowie die rückläufige Zuwanderung in die Schweiz sorgen für nahezu rekordhohe Leerstände.

Bei Mietwohnungen haben sich diese laut einer Studie der Credit Suisse in den vergangenen neun Jahren mehr als verdoppelt. Sollten in absehbarer Zeit auch noch die Zinsen rasch ansteigen, könnte das im schlimmsten Fall eine Immobilienkrise nach sich ziehen, die auch die Banken mit sich reißt.

In den vergangenen Jahren sind die Immobilienpreise in der Schweiz rasant gestiegen. Weil die Zinsen so niedrig sind wie in keinem anderen westlichen Land, haben professionelle Investoren und vermögende Privatleute auf der Suche nach Anlagemöglichkeiten verstärkt Wohnungen gekauft. Das weckt Erinnerungen an die Immobilienkrise in den USA, die vor etwa zehn Jahren ihren Höhepunkt erreicht hat.

Beispiellose minus 0,75 Prozent

Davor ist auch die Schweiz nicht gefeit: Hier liegen die Leitzinsen seit fast vier Jahren bei beispiellosen minus 0,75 Prozent. Banken müssen der Nationalbank für Guthaben ab einer bestimmten Höhe einen Strafzins zahlen. Daher sind sie eher gewillt, Kredite zu vergeben. Und bei Privatpersonen kurbeln ebendiese Zinsen die Nachfrage nach Krediten an. Dabei sind die Privathaushalte so hoch verschuldet wie nirgendwo sonst.

Grund genug für die Schweizerische Nationalbank, den Immobilienmarkt genauer zu beobachten: Denn wenn die Zinsen stark steigen, könnten viele Wohnungsbesitzer Probleme bekommen, ihre Hypotheken zurückzubezahlen. Das würde auch Banken mitreißen, die die Kredite vergaben. Dazu zählen vor allem systemrelevante Institute wie die Raiffeisen-Gruppe, aber auch die Großbanken UBS und Credit Suisse.

Eine Billion Franken

Nicht zufällig hat die Notenbank bei ihrer Sitzung im Juni gerade vor einer Korrektur bei Mietwohnungen gewarnt, die zu Anlagezwecken gekauft wurden – sogenannten Wohnrenditeliegenschaften. Zu den Anlegern zählen hier auch viele Privatleute, die oft hohe Kredite aufnehmen. „Das Segment der Wohnrenditeliegenschaften ist definitiv überhitzt. Ich würde sagen, es ist das größte Risiko, das wir haben“, so ein Regulierungsexperte.

Warum Branchenkenner beunruhigt sind, wird mit einem Blick auf die Größe des Marktes in der Schweiz deutlich: Die Großbank Credit Suisse schätzt das ausstehende Volumen der Hypothekarkredite Ende 2018 auf eine Billion Franken (886 Milliarden Euro).

Hellhörigkeit bei der EZB

Aber nicht nur die Schweizer Zentralbank hat den eigenen Immobilienmarkt genauer ins Visier genommen. Auch die Euro-Hüter tun es ihnen gleich, wie EZB-Aufseherin Danièle Nouy kürzlich in einem Interview erklärte. „Was die nächste Krise verursachen könnte? Das weiß ich nicht, aber ich denke, es könnte der Immobilienmarkt sein“, sagt sie. In der Tat waren in der Vergangenheit viele Krisen vom Immobilienmarkt ausgegangen.

Und in Österreich?

Ob sich auch in Österreich, wo etwa in Wien laut Statistik Austria Wohnungspreise zwischen 3000 und 8000 Euro pro Quadratmeter zu berappen sind, eine Blase auf dem Immobilienmarkt gebildet hat, ist umstritten. Viele Experten halten einen Vergleich mit Erscheinungen vor der Finanzkrise in den USA oder Spanien für unangebracht. Von einer problematischen Überhitzung könne man nicht sprechen, so Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Bank International (RBI), bei einem Pressegespräch vorige Woche. In Summe sei das Risiko für eine Immobilien-Blase „leicht erhöht“. Seit 2013 gebe es jedenfalls eine „fundamentale Überbewertung“, sagt Michael Heller, Immobilien-Analyst bei der RBI. Was heißt das für Anleger? Zwar seien die Renditen zuletzt gesunken, so Heller, aber das Niveau sei weiter attraktiv. Ein langfristiger Treiber für den heimischen Immo-Markt sei die demografische Entwicklung. Nur wenige europäische Länder würden stärker wachsen als Österreich. (Reuters/Apa/est)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2018)

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