Kritik der pädagogischen Urlaubsmaximierung

Eine neue Ordnung für die Feriengestaltung ist überfällig. Aber das verhindern die rote Ministerin und die schwarze Gewerkschaft.

Nächste Woche treten wir in die astronomische Phase zwischen dem Nationalfeiertag am 26. Oktober und Allerheiligen am 1. November ein, die für die pädagogische Urlaubsmaximierung von größter Bedeutung ist. Heuer fallen die beiden Tage für diesen Zweck besonders günstig. Das Instrument dazu sind die schulautonomen Tage. Im Gymnasium von dreien meiner Enkel sind sie auf den 31. Oktober sowie den 3. und 4. November gesetzt worden, woraus sich eine ganze zusätzliche Ferienwoche ergibt, denn der Allerseelentag ist ohnehin schulfrei.

Wie berufstätige Eltern mit mehreren Kindern, die natürlich keinen Herbsturlaub haben, es organisieren, wenn die Kinder diese Ferien zu verschiedenen Tagen haben, ist das Geheimnis von Schulbehörden, Schulen und Lehrern.

Eine Bekannte meiner Tochter erlebte es mit einer Weihnachtsvariante. Ihr Jüngster hatte seine Sonderferien um Allerheiligen, die beiden Älteren dagegen zwei Tage vor Weihnachten, was für die Mutter ein besonderes staatliches Weihnachtsgeschenk war, denn sie muss an diesen Tagen zwölf Stunden am Tag arbeiten. „Das schnapsen sich Elternverein und Direktion so aus, damit die Leute auf die Seychellen fahren können“, meint sie trocken, „wir können uns so was aber nicht leisten.“ Wie gesagt: Auch sozialistischen Politikern ist das egal.

Warum gibt es diese Tage überhaupt noch? Sie sind ein Ärgernis. Aber keine Unterrichtsministerin wagt es, diese (und andere) heilige Kühe der außertourlichen Urlaubsgewinnung zu schlachten. Sonja Hammerschmid hat die Idee einer neuen Ferienordnung auch sofort zurückgewiesen, denn sie weiß, was sie der Gewerkschaft schuldig ist. Vor ihr muss sie sich jedenfalls mehr fürchten als vor Hunderttausenden Eltern. Dabei böte sich die Lösung geradezu an: Verkürzung der Sommerferien auf sieben Wochen, Abschaffung der autonomen Tage und stattdessen eine Woche reguläre Herbstferien, die für alle gleich fallen.

Die Bilanz dieser Rechnung wäre freilich eine Woche weniger Ferien/Urlaub für die Lehrer im Jahr. Österreich würde sich damit nur dem Durchschnitt der EU an Unterrichtszeit annähern.

Dass neun Wochen Sommerferien pädagogisch unsinnig sind, geben sogar Lehrer zu. Das „widerspricht allen arbeits- und lernpsychologischen Erkenntnissen“, stellt der oberste steirische Schulpsychologe, Josef Zollneritsch, fest. Bei der Gelegenheit könnte auch das Privileg, den Allerseelentag, den Feiertag des Landespatrons und die Dienstage nach Ostern und Pfingsten freizuhaben, abgeschafft werden. Außer, dass es sich um ein wohlerworbenes Recht handelt, gibt es dafür keine Rechtfertigung.

Gewerkschaftlich gesehen wäre das allerdings eine schwere Niederlage und wird daher so nicht kommen. In dieser Logik kann es Änderungen nur geben, wenn die Lehrer für die eine Woche weniger Ferien „entschädigt“werden.

Belebung der Geschäfte

Man erinnert sich daran, dass es die erste Tat der Vorvorgängerin (ihr Name ist mir entfallen) der jetzigen Ministerin war, die Verpflichtung der Lehrer aufzuheben, die Vorbereitungen auf das Schuljahr in der letzten Ferien- statt der ersten Schulwoche zu erledigen. Das hatte deren Vorgängerin – es war die schwarze Elisabeth Gehrer – der schwarzen Lehrergewerkschaft mühsam abgerungen.

Gegen Herbstferien wird gern ins Treffen geführt, man dürfe die Schüler nicht wieder herausreißen, „wenn sie gerade in den Rhythmus gekommen sind“. Man merkt die Absicht und ist verstimmt: Warum eigene Ferien um den Preis einer oder zwei Ferienwochen im Sommer, wenn man sich diese Zeit ohnehin durch geschickte Ansetzung der schulautonomen Tage beschaffen kann?

Ein anderes Problem der österreichischen Feriengestaltung: Wie kommen eigentlich die Kinder aus Wien, Niederösterreich und dem Burgenland dazu, die Energieferien immer in der ersten Februarwoche zu haben, in der es meistens eiskalt ist, jedenfalls im Schnitt kälter als in der dritten? Man weiß, warum das so ist: Die drei östlichen Bundesländer stellen am meisten Kinder und sind daher für die buchungsschwache erste Februarwoche in den Tourismusgebieten besonders interessant. In Wien werden sie zur Belebung des Faschingsgeschäfts gebraucht. Deshalb haben auch der Bürgermeister und seine Partei mit ihrem angeblich so großen Herzen für die Wiener nichts daran geändert.

Österreichische Unsitte

Die Ländergruppen Ost, Mitte, West sollten sich also in den drei Wochen abwechseln. Das wäre nur fair. Außerdem ist es unsinnig, schon drei Wochen nach den sehr langen Weihnachtsferien wieder mit einer Ferienstaffel zu beginnen. Die sogenannten Energieferien sollten daher auf die zweite bis zur vierten Februarwoche verschoben werden. Ostern ist dann immer noch weit genug weg. Der Tourismuswirtschaft geht es gut genug, sodass man sich von ihrem erwartbaren Gejammer nicht beeindrucken zu lassen brauchte.

Die Kritik an der Urlaubsgewinnung per Schulferien führt uns zu einer anderen österreichischen Unsitte: der Gestaltung der Arbeitszeit des Jahres als Summe unwillkommener Intervalle zwischen kürzeren und längeren Ferien und Urlauben.

Besonders wichtig sind dem Österreicher bekanntlich die Feiertage am Donnerstag. Sie abzuschaffen käme der Schlachtung einer heiligen Kuh des Sozialsystems gleich. Die Donnerstagfeiertage haben sogar ein eigenes, absurdes Vokabular entstehen lassen, vom Fenstertag bis zum verlängerten Wochenende. Zeitungen veröffentlichen deshalb zu Beginn des Jahres eigene Kalender mit Tipps zur Zusammenlegung von freien Tagen zu Kurzurlauben.

Wir plädieren für die Entflechtung der Massierung von Feiertagen in der Weihnachtzeit oder im Mai bzw. im Juni. Ein vernünftiger Rhythmus von längeren Arbeitsperioden und Ferienzeiten anstatt der Hektik von allerlei Zwischenferien wäre ökonomisch wie sozial-menschlich sinnvoll. Wer jedoch Feiertage abschaffen will, muss sagen, welche er konkret meint und das erklären können. Kirchliche (die es für den Staat nicht gibt) allein können es wohl nicht sein.

Abzuschaffende Feiertage

Eine realistische Liste von abzuschaffenden Feiertagen könnte so aussehen: 6. Jänner. Der Tag dient nur dazu, einen Endpunkt für die ohnehin schon zu langen Weihnachtsferien zu setzen. Christi Himmelfahrt: Auch in Italien gibt's diesen Feiertag nicht. Den Christen ist es völlig unbenommen, ihre Feste zu feiern, wann sie wollen. Schließlich der 8. Dezember: Der Tag ist als Feiertag völlig ausgehöhlt, auch die Kirche kann mit der jetzigen Form keine Freude haben.

Der 26. Oktober: Wandern kann man auch an jedem anderen schönen Herbsttag. Der Abzug des letzten sowjetischen Soldaten aus Österreich, der einmal volkstümlich als Grund für diesen Tag ausgegeben wurde, ist zwar erfreulich, aber heute nicht mehr sehr erinnerungswürdig. Aber die Neutralität? Ist sie nicht der Sinn des Festes?

Ja, sie steht noch in einem Verfassungsgesetz, ist aber politisch bedeutungslos geworden. Man muss sie nicht auch noch als Quasistaatsideologie mit einem eigenen Feiertag begehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.10.2016)

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