Der Retter und sein Kassenschlager

Warum nur überlässt ein Minister einem Baulöwen eine zentrale Kunststätte zum Schnäppchenpreis?

Wohnungen für Flüchtlinge und Frau Bock hin – Unterstützung für das Liberale Forum her: Der Bauunternehmer Hans Peter Haselsteiner will im Künstlerhaus Geld verdienen und die Touristenströme aus der Albertina an den Karlsplatz locken.

Er selbst behauptete in einem Interview, er sei bloß der „Erfüllungsgehilfe“. Ein Erfüllungsgehilfe, der für die in die Jahre gekommenen Künstler das Haus am Karlsplatz renovieren wolle. Erfüllungsgehilfe für wen?

Nun gehört Haselsteiner beziehungsweise seiner Stiftung das zentral gelegene Haus zu zwei Dritteln, die Künstlervereinigung, die das Haus 1868 von Kaiser Franz Josef I. erhalten hat, besitzt nur noch die Sperrminorität.

Wie aber konnte es bloß so weit kommen, dass sich ein Bauunternehmer in eines der wertvollsten Kunsthäuser im Zentrum der sonst so kulturbeflissenen Stadt Wien einkaufen darf? Vor 17 Jahren wehrten die versammelten Künstler nämlich noch ein Angebot des Geschäftsmanns Karlheinz Essl ab. Er baute in der Folge sein eigenes Museum für zeitgenössische Kunst in Klosterneuburg auf.

Essls Herz muss bluten

Essl mit seinem störrisch-sturen Charakter – das Kriegskind aus Hermagor redet eben nicht mit jedem – hat inzwischen 60 Prozent seiner Sammlung, die eigentlich „das Österreichische“ in all seinen Facetten widerspiegelt, an seinen Unternehmerkollegen Haselsteiner verkauft. Dieser meinte von Anfang an, dass das Museum in Klosterneuburg ihn nicht interessiere, er wolle bloß eine Hand auf die Sammlung legen. Was Karlheinz Essl wohl nicht voraussah, war, dass sich der zuständige Minister, Josef Ostermayer, dezent heraushalten würde.

Aber darf ein Minister überhaupt ein Museum fördern, das nur noch über 40 Prozent seiner Sammlung verfügt und sich in Zukunft auch keine Ankäufe zeitgenössischer Kunst mehr leisten kann? Essl muss nun 47 Arbeitsplätze von qualifizierten Mitarbeitern (viele davon Kunstvermittler!) opfern, und das noch vor dem Linzer Lentos schönste Museum Österreichs wird künftig leerstehen. Zehn Autobus-Minuten vor den Toren Wiens. Das Herz muss Essl bluten.

Ein Armutszeugnis

Ostermayer ließ sich nicht erweichen. Gerüchteweise war der Kunstminister sogar froh, dass nun ein Bundesmuseum-Direktor direkten Zugang zur tollen Sammlung erhält. Denn Haselsteiner durfte sich im ORF-„Kulturmontag“ damit brüsten, dass er Albrecht Schröder von der Albertina als „Programmierer“ gewonnen habe.

Darf ein Albertina-Direktor, der – so sollte man doch meinen – genug Arbeit im eignen Haus hat, auch noch für einen Privatmann und Millionär arbeiten?

Wer „Investoren“ in der Fernsehsendung „2 Minuten 2 Millionen“ beobachtet, in der sie junge Unternehmer fördern oder eben nicht, weiß, wie diese ticken: Sie wollen Geld machen. Und wieso kostet die Künstlerhaus-Renovierung nun eigentlich plötzlich 30 Millionen, nachdem doch angeblich nur Elektrik und Fassade renovierungsbedürftig sind?

Haselsteiner wurden zwei zusätzliche Ausstellungssäle bewilligt. Was er aus dem riesigen Keller-Areal, auf das der ehemalige Direktor des Wien-Museums gespitzt hat, machen wird, ist unklar.

Dass ein Minister zulässt, dass ein millionenschwerer Baulöwe eine zentrale Kunststätte als günstiges Schnäppchen übernehmen darf und eine Generation mürbegemachter Künstler trösten soll, ist ein Armutszeugnis staatlicher Kulturpolitik. Und dass er dem Bauunternehmer dazu noch seinen expansiven Albertina-Direktor als Draufgabe gibt, ist nicht nachzuvollziehen.

Kerstin Kellermann ist freie Journalistin in Wien. Außerdem kuratierte sie zwei Musikfestivals und eine Ausstellung.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.05.2016)

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