Ein Problem wird weitergeschoben

Österreich schickt immer mehr Flüchtlinge zurück nach Kroatien. Wen kümmert, was dort mit ihnen geschieht?

Bald schon wird es die nächsten Flüchtlinge treffen. Diesmal sind es Syrer, die trotz ihrer Integrationsanstrengungen laut den Dublin-Bestimmungen nach Kroatien zurückgeschickt werden. 1700 Dublin-Rücknahme-Anfragen stellte die österreichische Regierung an Kroatien. Entgegen der landläufigen Meinung vieler Österreicherinnen und Österreicher werden dabei sogar syrische Kriegsflüchtlinge abgeschoben.

Samer aus Großenzersdorf, der in Aleppo Marketing studierte, hat ein Jobangebot in der Tasche. Sein Bruder ist anerkannter Flüchtling. Doch das Bundesverwaltungsgericht zweifelte die verwandtschaftliche Beziehung der beiden an, da sie schließlich nicht zusammenleben würden, was sie aber gar nicht dürfen.

Alle Mühen privater Helfer zählen nichts. In Zagreb wurden im Flüchtlingsheim Hotel Porin Stockbetten angekauft, um 600 statt 300 abgeschobene Flüchtlinge zu beherbergen. Samer hatte ganze drei Stunden seines Lebens in Kroatien verbracht.

Anfang Oktober trafen weitere 50 aus Österreich abgeschobene Flüchtlinge im Flüchtlingsheim in Zagreb ein. Alles Iraker, junge Leute, die voller Hoffnung gewesen waren, in Österreich einen Ort für einen Neuanfang gefunden zu haben.

Eine syrische Familie aus Krems mit einem kleinen Kind soll am 15. Juli aus Zagreb direkt nach Syrien zurückgebracht worden sein. Es gibt keine Kontrolle, wie die südosteuropäischen Staaten mit abgeschobenen Flüchtlingen umgehen. Selbst in der UNHCR-Statistik scheint nicht auf, wohin weitergeschoben wird.

Der Mantel des Schweigens

Außenminister Sebastian Kurz scheint besessen von der Absicht, möglichst schnell möglichst viele Flüchtlinge außer Landes zu bringen. Warum stehen aber so viele Flüchtlingsunterkünfte leer? Weil die meisten der 2015 Angekommenen schon wieder aus Österreich hinausexpeditiert wurden. Still, heimlich und leise in den Flieger Richtung Südosteuropa gesetzt. Die Länder dort werden schon die schmutzige Arbeit für uns erledigen, scheint der Hintergedanke zu sein. Außenminister Kurz scheint es egal zu sein, was mit abgeschobenen Menschen passiert, solange nur der Mantel des Schweigens ausgebreitet wird.

Ein Armutszeugnis

Man sollte Kurz einmal daran erinnern, dass an diesen abgeschobenen jungen Flüchtlingen auch konservative Wählerstimmen hängen. Viele hilfsbereite Privatleute erhielten „ihre“ Flüchtlinge über die Pfarrgemeinden und sind nun ziemlich sauer auf die Volkspartei. Außerdem zahlten die Familien ja auch für „ihren“ Flüchtling – worin also besteht das finanzielle Problem für den Staat?

Nach den Angaben von Betroffenen und den sie betreuenden Personen sendet Kroatien auch auf direktem Wege zurück. Das kann für viele Flüchtlinge sogar das Todesurteil bedeuten – vor allem für diejenigen, deren Angehörige bereits von Killern des Islamischen Staates umgebracht wurden.

Es ist ein Armutszeugnis für unsere Demokratie, dass möglicherweise lebenszerstörende Maßnahmen, die man selbst nicht ausführen darf, auf die südosteuropäischen Länder verlagert werden. Es sollte wenigstens kontrolliert werden, wohin diese armen Menschen kommen.

Kroatien hat eine äußerst geringe Anerkennungsquote. Die „milde“ Weitergabekette nach Griechenland und in die Türkei lässt den Flüchtlingen zumindest noch Möglichkeiten offen, nicht sofort wieder islamistischen Killern gegenüberzustehen. Obwohl IS-Aktivisten laut kroatischen Journalisten schon in Bosnien an der Grenze aufhältig sein sollen.

Kerstin Kellermann ist freie Journalistin
in Wien. Unter anderem schreibt sie
regelmäßig für die Obdachlosenzeitung „Augustin“.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.10.2016)

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