Merci, lieber Werner H.!

Frankreichs Botschafter in Österreich dankt allen für die Unterstützung nach dem Brand der Kathedrale Notre-Dame.

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Wir sind sehr berührt von den zahlreichen Solidaritätsbekundungen, die seit dem Brand der Kathedrale Notre-Dame de Paris in der Nacht des 15. April aus ganz Österreich kommen.

Dieses Drama, das den Katholiken und, darüber hinaus der ganzen Welt ans Herz geht, ruft hier in Österreich Erinnerungen an die tragischen Brände des Stephansdoms 1945 und der Hofburg 1992 wach.

Mit Notre-Dame verbinden die Franzosen unzählige Bilder, die sich durch die ganze Geschichte des Landes ziehen: Ludwig VII. hat den Grundstein gelegt, die Eheschließung zwischen der katholischen Marguerite de Valois und dem protestantischen Henri de Navarre fand hier statt, die Krönung von Napoleon, die Totenmesse von General Charles de Gaulle sowie von François Mitterrand. Und jeder von uns verbindet mit Notre-Dame auch sehr persönliche Erinnerungen; das haben uns die zahlreichen Reaktionen der Menschen gezeigt, die wir in den letzten Tagen gehört haben.

Am Montag, den 15. April sind die Glocken von Notre-Dame, die das Ende der beiden Weltkriege eingeläutet haben und zu Ehren der Attentatsopfer vom 13. November 2015 erklungen sind, verstummt. Zu hören war nur das Heulen der Sirenen, das die Stille der ergriffenen Menschenmenge vor dem Anblick des Feuers, welches sich in die große steinerne Dame hineinfraß, durchschnitt. Angesichts dieser Szenen der Verwüstung waren alle Tumulte vergessen, und die Stimmen erhoben sich im Chor, um den Pariser Feuerwehrleuten, die Unglaubliches geleistet haben, beizustehen und um, so wie die Flammen bezwungen waren, nach dem gemeinsamen Wiederaufbau dieses Monuments europäischer Kultur zu rufen.

Notre-Dame, Werk einer kollektiven materiellen wie spirituellen Anstrengung, war jahrhundertelang ein Ort der Öffnung und der Versöhnung. Victor Hugo wie Charles Péguy wussten meisterhaft, die Grazie des Bauwerks in Worte zu fassen, das seine Wurzeln tief in die Vergangenheit gräbt, um hoch in den Himmel einer hoffnungsreichen Zukunft aufzustreben.

An der Welle der Emotion, die unseren Kontinent in dieser österlichen Zeit erfasst hat, misst man, wie stark sich die Menschen über die Grenzen Frankreichs hinaus mit diesem meist besuchten Monument Europas verbunden fühlen. Und wir selbst waren berührt, am darauffolgenden Tag die französische Fahne über der Hofburg wehen zu sehen!

Für uns Europäer steht Notre-Dame für die Stärke des Bandes, das uns eint, für diesen reichen kulturellen Austausch, der es möglich gemacht hat, dass schon in der Zeit der Kathedralen reisende Gesellen, Steinmetze und Kunsthandwerker von einer Domhütte zur nächsten gewandert sind, von der Île de la Cité zum Stephansdom.

Ein Band, das uns eint

Europa ist, wie Notre-Dame, ein kollektives Werk, das seinesgleichen sucht. Wie die Kathedrale von Paris, die wir für unsterblich gehalten haben und die doch Opfer der Flammen wurde, ist auch Europa ein schützenswertes Bauwerk, dessen Existenz nie als gegeben betrachtet werden kann, dessen Zukunft einzig von unserem kollektiven Engagement abhängt. Deshalb danken wir allen in Österreich und Europa für die Sympathiebezeugungen und die Unterstützung angesichts dieses Dramas, damit wir mit geeinten Kräften den Wiederaufbau dieses Meisterwerks des europäischen Geists ermöglichen können.

Lieber Werner H., Sie, der Sie als Erster am Tag nach dem Brand, trotz Ihrer bescheidenen Mittel, der französischen Botschaft einen Briefumschlag zur Unterstützung überreicht haben, Ihnen möchten wir unsere Ehrerbietung erweisen.

Lieber Werner H., merci!

François Saint-Paul (*1958) ist seit 2017 Botschafter der Republik Frankreich in Österreich.

Diesem Brief haben sich zahlreiche Persönlichkeiten angeschlossen, darunter

- François Saint-Paul, Botschafter der Republik Frankreich in Österreich

- Ewald Nowotny, Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank

- Sabine Haag, Präsidentin der österreichischen UNESCO-Kommission

- Jörg Wojahn, Vertreter der Europäischen Kommission in Österreich

- Mag. Paul Schmidt, Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik

- Robert Del Picchia, Senator für die Auslandsfranzosen, stellvertretender Vorsitzender des Senatsausschusses für auswärtige Angelegenheiten, Verteidigung und Streitkräfte

- Louis Sarrazin, gewählter Konsularrat

- Frédéric Le Vouédec-Guéganno, gewählter Konsularrat

- Guillaume Arquer, gewählter Konsularrat

- Alain de Krassny, gewählter Konsularrat, Präsident der Französisch-Österreichischen Handelskammer

- Heinz-Christian Sauer, Präsident der Österreichisch-Französischen Vereinigung

- Hans Dietmar Schweisgut, Generalsekretär des Österreichisch-Französischen Zentrums für Annäherung in Europa

- François-Xavier d'Aligny, Präsident der Stiftung für die Entwicklung der internationalen Bildung

- Richard Rella, Unternehmer

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.04.2019)

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