Eine wichtige Entlastung, aber keine echte Reform

Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach im Wahlkampf regelmäßig von zwölf bis 14 Milliarden Euro. Daher dürfte es auch kein Zufall sein, dass zuletzt gern die Gesamtzahl von 6,3 Milliarden Euro kommuniziert wurde.
Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach im Wahlkampf regelmäßig von zwölf bis 14 Milliarden Euro. Daher dürfte es auch kein Zufall sein, dass zuletzt gern die Gesamtzahl von 6,3 Milliarden Euro kommuniziert wurde. (c) APA/ROLAND SCHLAGER
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Die Steuerreform bringt zwar die dringend notwendige Anpassung der Tarifstufen. Der von Experten lang geforderte Umbau des Systems bleibt aber aus.

Die Details stehen zwar nach wie vor aus, der Fahrplan ist seit der Regierungsklausur Ende der Vorwoche aber bekannt. Demnach soll die türkis-blaue Steuerreform die Steuerzahler und Unternehmen bis 2022 um insgesamt 4,5 Milliarden Euro entlasten. Rechnet man den heuer eingeführten Familienbonus hinzu, sind es rund sechs Milliarden Euro. Eine ordentliche Summe, aber doch deutlich vom Anspruch entfernt, die „größte Steuerreform aller Zeiten“ zu sein, wie es aus dem Umfeld der Regierung zuletzt geheißen hat. Zur Erinnerung: Bundeskanzler Sebastian Kurz sprach im Wahlkampf regelmäßig von zwölf bis 14 Milliarden Euro. Daher dürfte es auch kein Zufall sein, dass zuletzt gern die Gesamtzahl von 6,3 Milliarden Euro kommuniziert wurde. Diesen Wert braucht es laut Berechnungen des Wifo nämlich, damit die Entlastung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt zumindest gleich hoch ist wie jene aus dem Jahr 2015.

Nichtsdestotrotz wird die geplante Tarifanpassung den Österreichern wieder wesentlich mehr Geld in ihren Portemonnaies lassen. Und das ist in jedem Fall eine gute Nachricht. Allerdings sollte eine echte Steuerreform auch etwas an der grundsätzlichen Systematik ändern. Hier gibt es zwei Forderungen, die von Experten seit Langem regelmäßig wiederholt werden. Erstens ist Arbeit zu stark belastet und sollte dauerhaft geringer besteuert werden. Und zweitens sollten durch das Steuersystem ökologische Anreize gegeben werden – etwa, dass weniger CO2 ausgestoßen wird.

Hinsichtlich dieser beiden Forderungen sieht die Bilanz der aktuellen Reform mager aus. Denn der Großteil der Entlastung bei der Lohn- und Einkommenssteuer ist nur der Ausgleich für die kalte Progression der vergangenen Jahre. Wird diese nicht abgeschafft, verpufft dieser Effekt wieder sehr schnell. Da die Regierung die ursprünglich fix für diese Legislaturperiode geplante Abschaffung nun frühestens im Wahljahr 2022 angehen will, sollten die Erwartungen der Steuerzahler hier nicht zu euphorisch sein.

Wirklich nachhaltig ist lediglich die Reduktion der Sozialversicherungsbeiträge für kleine Einkommen. Hier wird auch beim richtigen Hebel angesetzt, obwohl es eigentlich dem Grundsatz einer Versicherung widerspricht, die Prämien bei gleich bleibender Leistung zu verringern. Doch es sind gerade die Sozialversicherungsbeiträge, die es im Niedriglohnsektor unattraktiv machen, Arbeit aufzunehmen. Ob das Volumen von 700 Millionen Euro bei Gesamteinnahmen aus der Lohn- und Einkommenssteuer von 30 Milliarden Euro und Sozialversicherungsabgaben von 62 Milliarden Euro einem großen strukturellen Umbau entsprechen, sei allerdings dahingestellt.


Noch enttäuschender fällt das Resümee bei der Ökologisierung aus. Von der noch im Regierungsprogramm enthaltenen Idee, die NoVA abzuschaffen und dafür etwa aufkommensneutral die Mineralölsteuer zu erhöhen, hat man sich verabschiedet. Dabei hätte damit durchaus ein sinnvoller Anreiz erzielt werden können: Wird der Besitz eines Autos günstiger, aber der Betrieb teurer, erhöht das nämlich die Attraktivität umweltschonenderer Alternativen wie der Bahn. Hätte man sich sogar an die motorbezogene Versicherungssteuer getraut und diese abgeschafft, dann könnte die Mineralölsteuer um die Hälfte angehoben werden, ohne dass der Durchschnittsfahrer mehr zahlt.

Betroffen wären von einem solchen Umbau des Systems aber natürlich zwei Gruppen: die Pendler und die Transportwirtschaft. Bei Ersteren könnte es in Härtefällen auf dem Land Ausgleichsmaßnahmen geben. Die Verteuerung der täglichen Fahrt mit dem SUV aus dem Speckgürtel in Stadt ist hingegen durchaus zu argumentieren, wenn man es mit den Klimazielen ernst nimmt. Gleiches gilt für Lkw-Transporte, bei denen derzeit noch nicht alle Kosten, die volkswirtschaftlich anfallen, auf der Rechnung zu finden sind.

Das führt dann auch zum größten Problem eines solchen Systemumbaus: Wenn unerwünschtes Verhalten durch die Verteuerung zurückgeht, erodiert auch die Basis der Besteuerung. Etwas mehr Mut und Kreativität wären hier aber trotzdem angebracht gewesen.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2019)

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