Das Kurz'sche Kombiangebot

Edtstadler, Kurz
Edtstadler, Kurzimago/SKATA
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In welche Richtung wird die ÖVP bei den Europawahlen gehen? Eine klare Antwort gibt die Listenerstellung dem Wähler nicht. Kurz setzt auf Stimmenmaximierung – und auf Türkis-Schwarz.

Er warnt vor dem „nationalen Tunnelblick“ und will gegen die „Anti-EU-Populisten“ kämpfen. Wer dem Video von Othmar Karas lauscht, müsste nicht zwingend auf die Idee kommen, dass hier der EU-Spitzenkandidat der türkisen Regierungspartei spricht.

Und doch passt, was nicht passt, ziemlich gut zusammen. Zumindest strategisch- inhaltlich mögen – von Migrationspakt bis Familienbeihilfe – zwischen dem Brüsseler Urgestein und dem jungen Kanzler Welten liegen, aber als Listenerster ergibt Karas dennoch Sinn.

Erstens weil die mögliche Alternative – eine eigene Karas-Liste – für Sebastian Kurz bei der ersten bundesweiten Wahl in seiner Kanzlerschaft schmerzhaft hätte werden können. Und zweitens kommt die alte ÖVP, die der neuen sonst meist lästig ist (Caritas-Debatten etc.), diesmal gelegen. Denn Karas beruhigt Türkis-Blau-Kritiker. Und er fischt im proeuropäischen Wählerteich, in dem auch die Opposition ihre Netz auswirft.

Und für alle anderen hat Kurz ohnehin ein Kombiangebot parat. Mehr neben als hinter Karas kandidiert Karoline Edtstadler. Von den europolitischen Ideen der Staatssekretärin weiß man noch nicht viel. Man darf aber davon ausgehen, dass sie sich akkurat mit den Botschaften des Kanzlers decken – strengere Asylpolitik, mehr Subsidiarität.

Wer letztlich vorn liegt, entscheidet dank strengen Vorzugsstimmensystems der Wähler. Damit wird, wie Kollegin Iris Bonavida schreibt, die EU-Wahl zu einem Wettbewerb Schwarz gegen Türkis. Allerdings ist es kein ganz ebenbürtiger. Denn egal, wer vorn liegt – spätestens wenn es um den Kommissarsposten geht, hat Edtstadler wohl die besseren Karten.

Brüsseler Wrestling. Wer sich jetzt fragt, ob so ein breites Positionenangebot nicht Konfliktpotenzial birgt und ob der FPÖ-kritische Karas nicht Unfrieden für die Bundesregierung bedeutet, dem sei ein Blick gen Brüssel empfohlen.

Wer sich dort über die Position der österreichischen Regierung informieren will, hört schon bisher meist drei verschiedene Antworten: eine schwarze, eine türkise und eine blaue. Dass Kurz Karas auf Platz eins gesetzt hat, ist insofern auch fast ein wenig uncharmant. Zeigt es doch, dass man dessen Kritik daheim in Wien eigentlich nicht rasend ernst nimmt: Wenn Karas meint, dann darf er vor sich hin meinen.

Auch dass es zwischen Karas und dem Spitzenkandidaten der FPÖ, Harald Vilimsky, kracht, ist nicht neu. Die beiden verbindet eine lebhafte Antipathie. Aber solang die Parteichefs in Wien im Wahlkampf nicht mitangepatzt werden, stört so ein Brüsseler Wrestling nicht. Im Gegenteil. Ein bisschen Kampf mobilisiert – und das kann vor allem der FPÖ nur recht sein. Gelten doch EU-Skeptiker tendenziell als wahlfauler.

Apropos Gespür für Inszenierung – noch ein kurzes PS: Die ÖVP hat für die Verkündung ihrer Liste einen interessanten Zeitpunkt gewählt. Nämlich just den Tag des Neujahrstreffens der FPÖ. Nett ist das nicht, aber eventuell haben die Blauen Verständnis für ein akut aufgetretenes Schlagzeilenbedürfnis. So unter Pferdefreunden.

ulrike.weiser@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2019)

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