Teil eins des populistischen Experiments in Rom ist gescheitert

Gerade jetzt kann sich Italien eine Dauerkrise nicht leisten. Das verschuldete Land braucht rasch eine stabile Regierung – die für stabile Finanzen sorgt.

Es war von Anfang an ein seltsames Gespann: hier die Protestbewegung, die sich linke soziale Ideen, lokale Bürgeranliegen und Radikalopposition auf die Fahnen geheftet hat und später vom Komiker Beppe Grillo mithilfe eines IT-Unternehmers zu einer Art gemeinsamen Organisation geformt worden ist. Dort die straff geführte Partei des Rechtspopulisten Matteo Salvini, der seine Lega sukzessive aus dem Fahrwasser des norditalienischen Sezessionismus gelenkt hat, um stattdessen in ganz Italien mit harscher Antimigrationsrhetorik zu punkten.

Verbunden hat die Protestbewegung der Fünf Sterne und die Lega zuletzt noch eine gewisse Grundabneigung gegenüber den EU-Institutionen in Brüssel – und der Wunsch, über die gemeinsame Regierungskoalition an Italiens Schalthebeln der Macht zu sitzen. Doch damit ist es nun offenbar vorbei. Lega-Chef Salvini will Neuwahlen. Der machiavellistische Stratege wittert seine Chance, denn die Umfragen für ihn und seine Partei sind besser denn je. Dafür hat er auch mit seinen brachial-populistischen Ansagen und Aktionen als Italiens Innenminister gesorgt.

Die Fünf-Sterne-Bewegung hingegen steckt in einer Krise. Eigentlich ist sie ja die stärkere Partei in der Koalition. Bei der letzten Parlamentswahl 2018 kam sie auf fast 33, die Lega nur auf rund 17 Prozent. Doch mittlerweile hat die Bewegung in Italien massiv an Vertrauen eingebüßt.

Einer der einstigen Stars der Fünf Sterne, die römische Bürgermeisterin, Virginia Raggi, kämpft in der Hauptstadt mit allerlei Problemen. Diese hatten zwar auch die meisten ihrer Vorgänger auf dem Bürgermeistersessel. Doch die Fünf Sterne waren immerhin mit dem Anspruch angetreten, alles anders, besser und sauberer zu machen als die alten Parteien.

Der Chef der Bewegung, Luigi Di Maio, verblasste innerhalb der Regierung sehr oft gegenüber dem ruppigen und taktisch versierten Salvini – und zog sich damit auch den Ärger der eigenen Parteigänger zu. Den Widerstand gegen die von der Lega befürwortete Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Lyon und Turin wollte Di Maio nun nicht mehr aufgeben. Denn das Nein zu dem Bahnprojekt gehört quasi zum genetischen Code der Fünf Sterne. Mitbegründer Grillo tourte jahrelang landauf, landab, um bei jeder Gelegenheit seine tiefe Abneigung gegen den Bau der Zugstrecke zum Besten zu geben. Es sei doch dumm, Italiens Büffelmozzarella mit mehreren Hundert Sachen durch den Berg in Richtung Frankreich zu jagen, witzelte der Komiker.

Der Antrag der Fünf Sterne, das Bahnprojekt zu stoppen, war nun ein guter Vorwand für den Chef der Lega, „basta“ zu sagen. Zwar hat Salvini gute Karten. Wie das Spiel für ihn tatsächlich ausgehen wird, ist aber noch unsicher. Dafür gibt es zu viele Unwägbarkeiten in Italiens politischer Landschaft, der in der Vergangenheit auch fliegende Koalitionswechsel nicht fremd waren.

Sicher ist aber eines: Eine andauernde Regierungskrise kann sich das Land derzeit gar nicht leisten. Die Verantwortlichen in Rom stehen vor einem gewaltigen Aufgabenpensum, das eigentlich rasch abgearbeitet werden müsste.

Zwar ist Italien weiterhin eine der stärksten Volkswirtschaften in Europa. Doch das Wachstum ist – bei gleichzeitiger hoher Verschuldung – niedrig. Mit 2,3 Billionen Euro Staatsschulden und einer Schuldenquote von etwa 132 Prozent im Jahr 2018 zählt das Land zu den Sorgenkindern in der EU. Die Kommission in Brüssel wartet auf den Budgetentwurf, den die Regierung in Rom bis 15. Oktober einreichen muss. Ein Defizitverfahren konnte Italien bisher abwenden. Es wäre das Letzte, was das Land – und Europa – brauchen kann.


Statt diese Probleme anzupacken, wird in Rom eine neue Runde im Machtpoker vorbereitet. Jetzt wird fieberhaft nach neuen Allianzen gesucht, werden alle möglichen Varianten durchgespielt. Salvini wird auf Wahlen drängen. Und auch Ex-Premier Silvio Berlusconi könnte wieder mitmischen. Was Italien benötigt, sind jedenfalls keine Endlosverhandlungen oder Egotrips von Politikern, sondern eine stabile Regierung – die für stabile Finanzen sorgt.

E-Mails an:wieland.schneider@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.08.2019)

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