Kanzler Kurz auf Du und Du mit dem "Bild"-Chef

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Drei Schüler eines Hamburger Gymnasiums haben "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt interviewt. Der verriet nicht nur Details zu seinem Medienkonsum, zwischendurch rief auch Sebastian Kurz an, mit dem er enger sein dürfte als mit Angela Merkel.

Seit dem Wochenende macht ein Interview mit "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt im Netz die Runde. Erstens, weil es von drei Schülern des Hamburger Gymnasiums Othmarschen geführt wurde, an das auch Reichelt einmal ging und nach der achten Klasse sogar eine Ehrenrunde drehen musste. Zweitens, weil die drei sich weder bei den atmosphärischen Beschreibungen des Treffens (Reichelt: "Ich muss mal kurz zum Vorstand. Ihr könnt hier abhängen. Nehmt euch ein Bier, spielt ein bisschen Playstation, wenn Ihr Lust habt.") noch bei den kritischen Fragen zurück hielten. Man hat schon softere Interviews mit diesem "Bild"-Chef (und seinen Vorgängern) gelesen. Und weniger unterhaltsame.

Drittens gelang es den Schülerzeitungs-Redakteuren sogar, die ein oder andere Neuigkeit über diesen Mann herauszufinden. Reichelt gab zum Beispiel zu, nur "Die Bild" konsequent zu lesen, alles andere nur mehr "aggregiert", dafür nutze er Twitter als Nachrichtenkanal. Ebendort stieß seine Aussage bereits auf Häme ("Der Bild-Chef liest also nur die eigene Zeitung"), aber hey, im Grunde klingt das plausibel und vor allem ehrlich.

Auch für österreichische Leser fand sich eine lustige Passage in dem sehr langen Interview: Gleich nach der ersten Frage läutete nämlich Reichelts Handy und am Apparat war Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz, die beiden sprachen sich per Du an. Die Schüler hielten sich zwar daran, den  Inhalt des Gesprächs nicht öffentlich zu machen, zitierten aber Reichelts Schwärmerei über die "wirklich spektakuläre Karriere" von Kurz. 

So überraschend ist die beschriebene Szene aber nicht. Die Nähe zwischen der Führungsebene des Axel-Springer-Verlags und Kurz ist bekannt. Ein "Bild"-Reporter hat die autorisierte Biografie über den Kanzler geschrieben, zur Buchpräsentation Anfang des Jahres reiste die "Bild"-Chefetage inklusive Ex-Chefredakteur Kai Diekmann fast geschlossen nach Wien. Eigentlich nicht weiter verwunderlich, dass Kurz und Reichelt, der eine nur sechs Jahre jünger als der andere, einander duzen.

Eigentlich.

Denn das Wort deutet eben doch auf ein Naheverhältnis hin, das Medien und Politik nicht automatisch gut tut. In Österreich rechtfertigt man diese sehr übliche Nähe oft mit der Kleinheit des Landes - da kann es schon vorkommen, dass ein Minister und ein Chefredakteur einander noch vom gemeinsamen Studium kennen - und damit, dass es eh alle tun. Die wenigen, die es anders machen (oder es behaupten), verweisen gern darauf, dass die Branche in Deutschland da ganz anders, also viel professioneller sei. Obwohl es auch dort Beispiele gibt, die das Gegenteil zeigen: Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Christian Wulff waren zum Beispiel sehr eng mit Kai Diekmann.

Julian Reichelt und Angela Merkel sind vermutlich eher nicht per Du. Dabei ist das Kanzleramt in Berlin-Tiergarten deutlich näher zum Springer-Haus in Kreuzberg als der Wiener Ballhausplatz.

>> Das Interview der Schülerzeitung des Gymnasium Othmarschen.

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