Darf das Christkind Spielzeugwaffen schenken?

Clemens Fabry
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Nein, will man reflexhaft sagen. Aber ...

Mordwerkzeuge und Weihnachten: Wie passt das zusammen? Diese Frage ist nicht neu. Niemand geringerer als Johann Wolfgang Goethe wollte seinem vierjährigen Sohn August im Jahr 1793 eine Miniatur-Guillotine schenken. Besorgen sollte diese Goethes Mutter, die ihrem berühmten Sohn tadelnd zurückschrieb: "Eine solche infame Mordmaschine zu kaufen – das thue ich um keinen preiß". Und: "Die Jugendt mit so etwas abscheuliches spielen zu laßen – ihnen Mord und Blutvergießen als einen Zeitvertreib in die Hände geben – nein da wird nichts draus."

Vor 100 Jahren, der Erste Weltkrieg war gerade zu Ende gegangen, empörte sich die "Neue Freie Presse" über die Siegermächte, die bis in die Kinderzimmer als Spielverderber hineinwirkten: "Weg mit den bunten Uniformen aller Staaten, die Generationen von Buben und auch Mädeln als Weihnachtsgabe erfreut hatten, mit denen sich richtige Schlachten schlagen ließen! Sie dürfen nicht mehr in Reih und Glied aufgestellt werden, voran die Musik, dann Kavallerie, Infanterie und Artillerie, letztere bei besonders vornehmen Geschenkausstattungen richtig mit Pferden bespannt, zum Schluß der Train. Als Munition fungierten Erbsen, und welchen Jubel gab es, wenn mit einem wohlgezielten Schuß einer der Feinde zu Boden gestreckt oder gar ein gegnerisches Geschütz außer Gefecht gesetzt worden war. In der verfinsterten Kinderstube wurde mit Scheinwerfern gearbeitet oder die Dunkelheit zu regelrechten Ueberfällen ausgenützt. Das alles soll nach dem Diktat der Engländer verschwinden."

Heute sind es vor allem die unzähligen Gummigeschosse der bei Kindern äußerst beliebten Nerf-Pistolen und -Gewehre, die durch die heimischen Kinderzimmer fliegen. Wenn sie denn nur dort bleiben würde. Man findet sie einfach überall, hinter dem Sofa, im Schuh, im Bett.

Die Meinungen der Psychologen gehen auseinander. Die einen sagen, es sei aus pädagogischer Sicht vollkommen sinnlos, Kriegsspielzeug zu schenken. Die anderen meinen, es würde Kindern helfen für das Leben zu lernen. Da ist etwas dran: der zu feste Schlag mit dem Holzschwert oder der Treffer mit dem Gummigeschoss - sie tun weh. Und das gemeinschaftliche Spiel überwiegt das kriegerische Element, wenn sich Groß und Klein hinter dem Sofa verstecken oder in jede mögliche Nische pressen, um nur ja nicht getroffen zu werden. In einer Welt, die immer digitaler und abgekapselter wird, kann das nicht ganz verdammenswert sein. Das dürfte auch das Christkind so sehen.

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