Mays Brexit-Politik, ein Schattentheater

APA/AFP/DANIEL LEAL-OLIVAS
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Sollte Theresa May glauben, dass die EU im Ringen um den Brexit einknicken wird, droht ihr ein böses Erwachen. Ihr ungeschicktes Auftreten in Brüssel lässt das Risiko eines unkontrollierten Brexit wachsen.

Was genau wollen die Briten eigentlich? Diese Frage hört man, in verschiedenhafter Formulierung, dieser Tage allerorten in der Brüsseler Europamaschinerie. Mühevoll, unter zahlreichen Verrenkungen, hat man erst vor einem Monat mit den britischen Verhandlern ein Austrittsabkommen und eine politische Vereinbarung über das künftige Verhältnis zwischen Vereinigtem Königreich und Union akkordiert. Und jetzt soll das nicht mehr genug sein? Sind Ehrenwort und Handschlagqualität keine Kategorien in der britischen Staatskunst mehr?

Theresa May ist zweifellos eine der bedauerlichsten Figuren, die jemals das britische Premierministeramt innehatten. Ihre linkischen Auftritte bei den Europäischen Ratstreffen in Brüssel veranschaulichen jedes Mal, wie tief die Krise der politischen Elite im Vereinigten Königreich sein muss. Nicht einmal jetzt, im Angesicht des Brexit, den die restlichen 27 Unionsmitglieder so schmerzlos wie möglich abwickeln wollen, gelingt es ihr, nach innen und außen eine klare Linie zu vertreten und Brüsseler Vereinbarungen in London umzusetzen.

Was also, um die Frage zu wiederholen, wollen die Briten eigentlich? Zugang zum lukrativen Binnenmarkt, die Erlaubnis, das Vermögen europäischer Anleger weiterhin zu verwalten - aber bitte ohne Zahlungspflicht fürs Unionsbudget und ohne Freizügigkeit für Ausländer. Letzteres übrigens hat May persönlich in die (rechtlich nicht bindende) politische Vereinbarung über das künftige Verhältnis hineinreklamiert, wie Buzzfeed am Donnerstag berichtete.

Kurzum: May möchte alle Vorzüge, aber keine der Pflichten der EU-Mitgliedschaft. Glaubt sie ernsthaft, dass die 27 ihr dies gewähren? Wenn ja, dann wäre sie offenkundig für ihr Regierungsamt nicht geeignet. Wahrscheinlicher jedoch ist es, dass ein anderer Irrglaube ihr Tun leitet: dass die EU unter dem Drohpotenzial eines No-Deal-Szenarios noch einknickt.

Diese Vorstellung mag dem nostalgisch verbogenen Selbstbild einer ehemaligen Weltmacht entspringen. Realistisch ist es nicht. Die EU hätte die Briten lieber dabei, ihr Blick ist aber auf das Morgen gerichtet. Erst diese Woche schloss man die Verhandlungen über das volumensmäßig weltgrößte Freihandelsabkommen ab, jenes mit Japan.

Mays Politik gegenüber Europa erinnert an Schattentheater: schiebt man die Leinwand beiseite und knipst man den Scheinwerfer aus, entpuppt sich so manch furchteinflößende Bühnengestalt als schmächtige Handpuppe.

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