27 mal 40 Zentimeter

Seit zwei Tagen verhielt sich Tochter Magda, die Französisch-Studentin, merkwürdig still.

Heimliche Telefonate, höchst verdächtig bei der sonst so plapperseligen jungen Dame. Bis sich ihr bester Kumpel Kilian mir anvertraute. Was ich vernahm, ließ mich erstarren. Also: Es ist ein Kunstskandal allererster Ordnung. Und sehr peinlich. Magda und Kilian durchleben die erste Krise ihres jungen Lebens, polizeiliche und Gutachter-Verhöre inbegriffen. Kulturjournalisten stehen Schlange, hoffnungsvolle Bestseller-Autoren fertigen wir schon recht routiniert am Gartentor ab.

Es war zunächst ganz ulkig. Beim Ausmisten fanden sich Gymnasium-Zeichnungen, erste zaghafte Versuche mit Malfarben, die Kilian schon damals für grenzgenial hielt. Mein Gott, wie lang ist das schon her: Mindestens fünf Jahre! „Dafür ist die Signatur von mir“, merkt Magda stolz an: „Renoir“. Und dann dichtete unsere Französin locker vom Hocker: „Golfe, mer, falaises vertes“. Hübsch.

So stolz sie zunächst waren, das 27 mal 40 cm kleine Blatt ins „Pfandl“ eingeschmuggelt zu haben, desto heißer wurde ihnen dann die Kartoffel in Händen. Der Studentenspaß wuchs sich zum Albtraum aus. Bei 120.000 Euro lag der Schätzpreis, doch jetzt ist das Blatt dreist gestohlen worden! Sie werden zugeben, dass man als Vater nicht anders handeln konnte. (hws)

Reaktionen an:hans-werner.scheidl@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.12.2018)

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