Zwei Vorbilder

Ein Rektor, ein Professor und viel Gold.

Kaum war es geschehen, war man peinlich berührt: Es ist Tradition, verdienstvolle Absolventen einer Universität 50 Jahre nach Erlangen ihres Abschlusses mit einem goldenen Diplom oder einer goldenen Doktorwürde zu ehren. Doch bei unzureichender Recherche kann es zu einem Missgeschick kommen, und ein solches ist Ende letzten Jahres der TU Wien unterlaufen. Jemand, Nomina sunt odiosa, der als ewig gestriger Revisionist mit provokanter Intransigenz von sich reden machen wollte, gelangte in die Liste derjenigen, die mit dem goldenen Ingenieurdiplom ausgezeichnet wurden. Doch nachdem dieser Fehler geschehen war, reagierte die Universität comme il faut: Sofort berief der Rektor eine Kommission ein, die wie erwartet feststellte, dass keine vertiefte inhaltliche Prüfung stattgefunden hatte und die Voraussetzungen für die Erneuerung des akademischen Grades nicht gegeben waren. Und Rektor Peter Skalicky zögerte danach keine Sekunde, die Erneuerung des akademischen Grades an diesen Herrn förmlich zu widerrufen. In einer bravourösen Geste bedauerte Skalicky diesen Vorfall, den er, so meint er, letztlich zu verantworten habe, entschuldigte sich beherzt für die Betroffenheit, die dadurch ausgelöst wurde.

Eine vorbildhafte Haltung. Denn Fehler können geschehen. Wahre Größe besteht darin, diese rasch zu erkennen und zu korrigieren.

Natürlich könnte man argumentieren, den Usus der goldenen Diplome am besten abzuschaffen, weil er doch nicht mehr als ein mit Sentimentalität garnierter Formalakt sei. Der Fehler, Falsche zu ehren, würde dann nie mehr geschehen. Doch damit würde man das Kind mit dem Bade ausschütten. Denn diese Ehrungen werden nicht allein für die Geehrten und ihre Verwandten und Freunde gestaltet, sie sind vor allem wichtig für die Universitäten selbst. Denn gerade in Erinnerung an die Leistungen vor 50 Jahren wird das Bewusstsein für ihre gesellschaftliche Verantwortung geschärft.

So wurde gestern an der Fakultät für Mathematik der Universität Wien der akademische Lehrer Johann Cigler mit der goldenen Doktorwürde geehrt, und er ist tatsächlich eine Persönlichkeit, die weit mehr als nur diese Auszeichnung verdient. Eigentlich kommt mit dieser Ehrung der berechtigte Stolz der Universität zum Ausdruck, dass dieser herausragende Professor an ihr gewirkt hat. Er war in der Tat Professor im wahrsten Sinne des Wortes: Seine höchst anspruchsvollen Vorlesungen und Seminare waren allein darauf ausgerichtet, zusammen mit den Hörern das Themenfeld in all seiner Tiefe zu durchdringen. Und wie kaum ein anderer beeindruckte er durch eine Breite des Wissens. Er prägte wesentlich den guten Ruf der Mathematik in Wien.

Er ist vorbildhafter Lehrer. Der Universität gereicht es zur Ehre, dass sie ihm eine Wirkungsstätte bereitete.

Rudolf Taschner ist Mathematiker und Betreiber des math.space, im quartier21, MQ Wien.


meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2010)

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