Die Besten für die Wichtigsten

Die Lehramtsausbildung ist eine der wichtigsten Aufgaben der Universität.

Das ist jetzt etwas ganz Bösartiges, was ich sage: Die Ausbildung der Lehramtskandidaten ist schlecht.“ Nicht der Autor dieser Zeilen hat den Mut, diese „bösartige“ Verdammung der Ausbildung von Lehramtskandidaten auszusprechen. Dieser Satz ist einem Interview entnommen, das Lisa Nimmervoll mit Wissenschaftsministerin Beatrix Karl und der mehrfach ausgezeichneten Biochemikerin Renée Schroeder geführt hat. Es war Schroeder, die sich zu diesem Urteil hat hinreißen lassen. „Ich unterrichte auch Lehramtskandidaten, zuletzt im Sommersemester“, setzte sie fort, „ich war entsetzt. Da waren 20 Studierende, zwei sind mir gefolgt, die anderen haben so dieses absolut desinteressierte Geht-mich-nix-an-Gesicht, und ich denk mir: Und die sollen unsere Kinder vorbereiten, dass sie dann in die Mint-Fächer gehen?“

Unter „Mint-Fächern“ versteht man Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik, jene Disziplinen, die neben einem attraktiven Studium auch Perspektiven für eine erfolgversprechende Karriere bereithalten.

Doch dies ist anscheinend zu wenig, um mehr Absolventen der höheren Schulen für das Studium dieser Fächer zu gewinnen. Schroeder hat ganz recht: Es kommt auf die Lehrerpersönlichkeiten an, die in den Schulen dafür sorgen müssten, dass die Begeisterung für „Mint-Fächer“ geweckt, erhalten und nicht erstickt wird. Lehrkräfte ahnen oft gar nicht, welch großen Einfluss sie kraft ihrer Persönlichkeit ausüben, und dass es allein der Eindruck ist, sie vertreten ihr Fach authentisch und aus vollstem Herzen, der die jungen Menschen bewegt.

Darum ist die Lehramtsausbildung eine der wichtigsten Aufgaben der Universität. Schielte man bloß auf Forschung, bloß auf Schulterklopfen bei Kongressen von den paar Experten, die sich oft genug im Elfenbeinturm verkriechen, benähme man sich wie einer, der eine Dutzende Meter hohe Leiter hinaufeilt, ohne sicher zu sein, ob diese stabil auf festem Grund steht.

„Ich würde zuerst die Lehrerausbildung auf top bringen, die besten Professoren für die Lehramtskandidaten und nicht die schwächsten. Ich weiß, da krieg ich Watschen, wenn ich das sag, da zucken alle, aber es reagiert keiner, weil es ein wunder Punkt ist“, so Schroeder. An dieser Stelle erhebt sich die Frage, nach welchem Kriterium die „besten Professoren“ für die Lehramtskandidaten auszuwählen sind. Sicherlich, sie sollen ihr Fach souverän beherrschen und zur Weiterentwicklung ihrer Disziplin beitragen können. Aber dies ist nicht genug. Sie müssen zugleich einen Pol für jene zwei unter den 20 darstellen, von denen Schroeder sprach.

Ein gutes Lehramtsstudium ist nicht mit einer Ausbildung zu vergleichen, bei der Kurs um Kurs nach vorgelegtem Plan absolviert wird, kein mechanisches Sammeln von Scheinen. Es ist ein Studium, bei dem das Fach die Persönlichkeit prägt.

Rudolf Taschner ist Mathematiker und Betreiber des math.space, im quartier21, MQ Wien.


meinung@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.08.2010)

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