Gute Lehrer und kreatives Spiel machen die Schule erfolgreich

Schule gelingt, wenn man hervorragende Lehrende mit genügend Zeit, Mitteln und Freiheit zum Spielen ausstattet.

Es wäre zwar unhöflich, Sonja Hammerschmid als „neuen Besen“ zu bezeichnen, aber eigentlich erwartet man sich funktionell genau das von der vor Kurzem installierten Bildungsministerin. Sie weiß sicher spätestens seit der weltweiten Studie von John Hattie („Visible Learning“, 2013), dass das von den heimischen Strukturfetischisten für so wichtig gehaltene Drehen an organisatorischen Schräubchen nahezu unwichtig ist. Der Erfolg von Schule hängt vielmehr fast nur an der Qualität der Lehrenden und ihre gute Beziehung zu den Schülern, an ihrer aktiven und passiven Kritikfähigkeit, an ihrer sozialen Kompetenz (einschließlich ein bisschen Schmäh), an Flexibilität, Engagement und Leidenschaft, an ihrer Fähigkeit, den Unterricht an das Leben anzubinden.

Aber welche Schule fördert die Heranbildung solcher Lehrender oder von Topwissenschaftlern – vielleicht sogar von Nobelpreisträgern? Auf eine erhellende Studie stieß mich Ernst Smole, den ich sinngemäß zitieren möchte: Michel und Robert Root-Bernstein von der University of Michigan in den USA stellten das Freizeitverhalten von allen 510 bis 2005 gekürten Nobelpreisträgern und -preisträgerinnen dem von 7306 bekannten Wissenschaftlern aus dem angloamerikanischen Raum gegenüber, die keine Nobelpreise erhalten hatten (J. Psychol. Sci. & Technol. 2008).

Nobelpreisträger musizierten viermal so oft wie „Normalwissenschaftler“, sie betätigten sich 15-mal häufiger handwerklich, waren 17-mal häufiger auch bildende Künstler, 22-mal öfter Schauspieler oder Vortragende eigener Literatur und 25-mal häufiger kreative Schriftsteller.

Viele Nobelpreisträger begannen ihre preisträchtigen „Spielereien“ übrigens bereits in Kindergarten und Schule. Folgerichtig gaben die befragten Ausgezeichneten das (lebenslange) Spielen als wichtigste Basis für das freie Denken an. Was bedeutet das für die Schule? Dass etwa kreativer Selbsttätigkeit gegenüber abprüfbarem Wissen viel mehr Raum gegeben werden muss.

Natürlich: Schule braucht heute Curricula und Standards, einschließlich der metrischen Überprüfung von Schuleffizienz. Dies aber nicht als erstrebenswertes Bildungsideal, sondern als notwendiges Übel. Je jünger die Kinder sind, desto mehr muss Bildung in Freiräumen und in Anregung zum kreativen Spiel bestehen. In der modernen Schule dagegen dominiert der Stoff, entsprechend fad ist sie dann manchmal auch.

Klar, einerseits können nicht alle Nobelpreisträger werden, andererseits lässt sich so mancher kreative Geist nicht einmal durch die Schule bremsen. Bei vielen Kindern wiederum wird selbst der kreativste Unterricht zu bescheidenen Ergebnissen führen. Um die Gesellschaft einigermaßen zusammenzuhalten, hat Schule also die Aufgabe, die Kreativen aller Schattierungen durch Freischaufeln von Stoffballast zu fördern. Es ist also hoch an der Zeit, wieder von reformpädagogischen Ansätzen zu lernen!

Bei den anderen muss der Schwerpunkt vor allem auf der Vermittlung der Grundfertigkeiten wie Lesen und Schreiben liegen, ebenso auch wichtiger Kenntnisse – etwa dem Unterschied zwischen Demokratie und Diktatur oder zwischen Wissenschaft und Firlefanz. Fast egal, wie Schule organisiert ist – sie gelingt dann für alle, wenn man hervorragende Lehrende kompromisslos mit genügend Zeit, Mitteln und Freiheit zu Spielen ausstattet.

Kurt Kotrschal ist Zoologe an der Uni Wien und Leiter der Konrad-Lorenz-Forschungsstelle in Grünau.

Emails an: debatte@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.08.2016)

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